Goldene Division gegen schwarze IS-Krieger

Unterwegs mit der Eliteeinheit der irakischen Armee, die den Vorstoß auf Mossul anführt. Ihre Gegner reagieren vor allem mit Selbstmordanschlägen.

Reportage von Paul-Anton Krüger

Die Kirchenglocken läuten wieder in Bartella. Es ist das Zeichen der Befreiung – nach 26 Monaten Herrschaft der Terrormiliz Islamischer Staat. Am 7. August 2014 hatte sie den Ort im Nordirak überrannt. Nun überträgt das irakische Fernsehen live, wie ein Soldat auf dem Kirchturm das Seil zieht. Es ist ein Sieg, aber zurück bleibt Zerstörung.

Die Aufnahmen zeigen: Die Kreuze der assyrischen Matthäus-Kirche wurden von den Dschihadisten heruntergebrochen, Heiligenfiguren wurde der Kopf abgeschlagen. Zwischen den hölzernen Bänken liegen zerfledderte Gesangsbücher, das Kirchenschiff ist von Ruß geschwärzt. Auf dem Friedhof nebenan sind Grabsteine umgestürzt, viele Häuser im Ort sind so schwer beschädigt, dass zweifelhaft ist, ob sie je wieder bewohnt werden können.

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Eine Spezialeinheit der irakischen Armee hat den einst überwiegend von Christen bewohnten Ort freigekämpft. Er liegt an der Straße von Erbil, der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion im Irak, nach Mossul. An ausgedörrten Stoppelfeldern vorbei geht die Fahrt zu einer Behelfsbrücke aus Stahl über den Großen Zab. Die vierspurige Brücke über den Fluss hatten die Amerikaner 2014 zerbombt, um den Vormarsch der Dschihadisten aufzuhalten. Eine Hälfte steht noch über dem grünen Wasser, von der anderen ragen nur noch die Betonpfeiler hervor. Ein paar Kilometer weiter begann vor wenigen Tagen noch das Kalifat.

„Sie kämpfen nicht, sie zünden nur Bomben“, sagt General al-Barwari

„Bartella ist das Tor nach Mossul“, sagt Generalmajor Fadhil al-Barwari, der eine schwarze Uniform und schwarze Baseballkappe trägt. 21 Kilometer sind es von dort noch bis in die zweitgrößte Metropole des Irak, die größte Stadt, die der IS je eingenommen hat. Barwari kommandiert die Goldene Division, jene von den USA ausgebildete Eliteeinheit, die den Vorstoß auf Mossul anführt. Im gepanzerten weißen Landrover besucht er die Truppe an der Front. Er wird mit Wangenkuss begrüßt. Seine Soldaten kommen aus allen Teilen des Irak, aus Bagdad oder aus Basra. Für den General ist es ein Krieg um seine Heimat. Er stammt aus Dohuk, einer kurdischen Stadt 80 Kilometer nördlich.

Auf einem Stützpunkt kurz vor Bartella – heruntergekommene gelbe Flachbauten hinter Betonmauern und Wachtürmen – gibt er Interviews. „Sie kämpfen nicht“, sagt der General über den Feind. „Sie zünden nur Bomben.“ Er meint damit Selbstmordattentäter in mit Sprengstoff vollgeladenen Autos, die mit Vollgas versuchen, an die Soldaten heranzukommen. Neben der Straße liegen noch ein Getriebe, ein Motorblock, ein bizarr verbogener Metallhaufen. Das ist es, was übrig bleibt. „Sie haben keine Angst vor dem Tod“, sagt der General. Sie wollen die Armee aufreiben, bevor sie Mossul erreicht. Überall in Bartella hätten sie Sprengfallen verteilt und Scharfschützen postiert gehabt.

Erst sagt der General, der Ort sei sicher, man könne Fotos von der Kirche machen. Doch dann endet die Fahrt an einem Erdwall vier Kilometer vom Ortsrand entfernt. Am Tag darauf werden Journalisten zu dem Gotteshaus eskortiert. Am Sonntag soll der Bischof kommen, doch da gibt es wieder schwere Gefechte. Es hielten sich IS-Kämpfer in den Häusern versteckt, heißt es. Bis die Besitzer dorthin zurückkehren können, wird es noch einige Zeit dauern.

Die Soldaten, für irakische Verhältnisse gut trainiert und ausgerüstet, waren mit ihren schwarzen Humvee-Jeeps schnell in die Stadt vorgestoßen. An die Front eines der Wagen haben sie spitze Metallzinken geschweißt und rot angemalt. Es sieht aus wie das Maul eines Ungeheuers. Die Männer tragen sechs Ersatzmagazine vor dem Bauch und aluminiumfarbene Nebelgranaten an den Schutzwesten, dazu Schrotpatronen, um Türschlösser aufzuschießen. Sie haben schon in Falludscha, Ramadi, Tikrit und einem Dutzend anderer Städte gegen den IS gekämpft. Am Himmel grollen Kampfjets, man sieht sie nicht. Erst die Rauchsäulen, die nach den dumpfen Explosionen der Bomben aufsteigen, verraten die Ziele. Gegen diese Überlegenheit können die IS-Kämpfer nicht bestehen – die Soldaten sind siegesgewiss.

Dennoch brauchten sie Tage, um den Widerstand in Bartella zu brechen. 52 IS-Kämpfer hätten seine Männer getötet, sagt der General. Er schätzt, dass dort insgesamt 150 Feinde gewesen sein dürften. Der Rest habe sich davongemacht, Richtung Mossul. Sie haben Sprengstoff in den Tunneln zurückgelassen, die sie gegraben hatten, und Waffen. „Sie sind zu Fuß abgehauen“, sagt al-Barwari, „ihre Logistik haben sie nach Syrien verlegt.“ Auch der selbsternannte Kalif Abu Bakr al-Bagdadi habe Mossul verlassen – wohin, das sagt der General nicht.

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