In Kindesmissbrauch verstrickt? – Der düstere Verdacht im NSU-Prozess

Gibt es eine Verbindung zwischen dem NSU, dem Mord an der kleinen Peggy und womöglich anderen Fällen? Ein Fund von DNA-Spuren wirft Fragen auf. Andere Hinweise nähren den Verdacht.

Nach der spektakulären Entdeckung von DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der getöteten Schülerin Peggy geht das Münchner Oberlandesgericht einem möglichen Zusammenhang der beiden Fälle auf den Grund. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl fragte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe im NSU-Prozess, ob sie über Informationen über Peggy verfüge, die sie nicht aus den Medien habe. Zschäpe antwortete aber nicht sofort – ihr Anwalt Hermann Borchert kündigte eine schriftliche Beantwortung an.

Vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass am Fundort der Skelettteile des 2001 verschollenen Mädchens aus Oberfranken Genmaterial von Böhnhardt entdeckt worden war – an einem kleinen Stoffstück. Seither wird spekuliert, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen den beiden Komplexen – NSU und Peggy – geben könnte. Auch eine Verunreinigung der Probe ist nicht hundertprozentig ausgeschlossen.

Zudem will das Gericht Berichten über angeblich kinderpornografische Bilder auf einem Computer auf den Grund gehen, der im November 2011 im Brandschutt der letzten Wohnung des NSU-Trios in Zwickau gefunden wurde. Götzl will von Zschäpe nun wissen, wer diesen Computer nutzte, ob sich darauf Bilder von Kindern und Jugendlichen befanden und welche Informationen sie gegebenenfalls zu diesen Bildern habe.

Bilder legen Verdacht des sexuellen Missbrauchs nahe

Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler beantragte zudem, die kompletten Peggy-Akten beizuziehen und Akteneinsicht zu gewähren. Zur Begründung sagte er, auf einem Computer der mutmaßlichen NSU-Terroristen habe sich eine große Anzahl pornografischer Bilder befunden, darunter auch Dateien, „die zumindest den Verdacht nahelegen, einen sexuellen Missbrauch von Kindern darzustellen“.

Zudem nannte er den früheren Thüringer Neonazi-Drahtzieher Tino Brandt, der wegen Kindesmissbrauchs in 66 Fällen verurteilt worden war. Und er erwähnte die von einem Zeugen erhobenen Vorwürfe, Böhnhardt habe einst einen neun Jahre alten Jungen in Jena ermordet. Eine Sonderkommission in Thüringen überprüft den Fall inzwischen erneut.

Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe auf einem Privatfoto des NSU-Trios. (Foto: DPA)

Berlin-Besuch nur ein harmloser Städtetrip?

Zu Beginn des Verhandlungstages hatte Zschäpe bestritten, mit ihren Komplizen im Jahr 2000 ein mögliches Anschlagsziel des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Berlin ausgespäht zu haben. In einer Erklärung, die ihr Anwalt Mathias Grasel verlas, räumte Zschäpe zwar ein, sie habe sich damals irgendwann im Frühjahr oder Sommer zusammen mit Böhnhardt und Uwe Mundlos in der Hauptstadt aufgehalten. Es habe aber keine besonderen Gründe für die Reise gegeben – „außer dass wir mal aus Chemnitz rauskommen wollten“. Sie habe aber nichts ausgespäht, und sie habe auch zu keinem Zeitpunkt eine Synagoge aufgesucht. „Ich kenne keine Synagoge in Berlin.“

Hintergrund ist die Beobachtung eines ehemaligen Wachpolizisten, der Zschäpe am 7. Mai 2000 in Berlin gesehen haben will, in einem Café bei der größten Synagoge Deutschlands im Stadtteil Prenzlauer Berg. Der heute 66-Jährige bestätigte dies am Mittwoch als Zeuge vor dem Oberlandesgericht. Der Nebenklage-Anwalt Yavuz Narin hatte die Ladung des Mannes beantragt – und mit der Vermutung begründet, Zschäpe und Mundlos könnten damals ein Anschlagsziel des NSU ausgespäht haben.

Treffen in Berliner Café wirft Fragen auf

Der ehemalige Wachpolizist berichtete, ihm seien damals drei Personen in dem Café aufgefallen: eine junge, attraktive Frau mit zwei jungen Männern. Die Frau habe nicht zu dem sonstigen Publikum dort gepasst, „von ihrem Aussehen und auch von der Kleidung her“. Kurz darauf habe er die Frau auf einem Fahndungsfoto im Fernsehen wiedererkannt – und habe sich daraufhin bei der Polizei gemeldet. Auf Fahndungsfotos, die ihm vorgelegt wurden, erkannte er damals Zschäpe und Mundlos wieder.

Mehrere Nebenkläger verlangten nun unabhängig von der Aussage des Wachpolizisten festzustellen, mit wem sich die beiden in dem Berliner Café getroffen haben könnten. Eine der Personen sei vermutlich der damalige Anführer der Chemnitzer Organisation Blood & Honour, Jan W. Das ergebe sich aus der Überwachung von W.s Handy. Die Rede ist zudem von einer weiteren Person, einer Frau, dies lasse sich aus Unterlagen des sächsischen Verfassungsschutzes rekonstruieren. Die Nebenkläger beantragten, diese Frau als Zeugin zum NSU-Prozess zu laden.

Zschäpe muss sich in München als Mittäterin an den zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden und zwei Sprengstoffanschlägen verantworten, die dem NSU angelastet werden. Sie soll das Leben des Trios im Untergrund organisiert und zudem von sämtlichen Verbrechen gewusst haben. Mundlos und Böhnhardt töteten sich den Ermittlungen zufolge im November 2011 nach einem missglückten Banküberfall selbst.

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