Wie Böhnharts DNA-Spur zu Peggys Leiche kam

© dpa Fundort der Leiche von Peggy im Saale-Orla-Kreis an der Grenze von Bayern zu Thüringen.

Von Anfang an hatte die Staatsanwaltschaft Bayreuth zur Geduld gemahnt: Bevor ein Tatverdacht Uwe Böhnhardts im Mordfall Peggy K. in Betracht komme, müsse zunächst geklärt werden, wie die DNA-Spur, die auf Uwe Böhnhardt weist, überhaupt gesetzt worden sei. Das gehe nur mit einer akribischen „Qualitätssicherung“, beschied Oberstaatsanwalt Herbert Potzel jede Nachfrage.

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Die „Qualitätssicherung“ könnte schon zu einem Ergebnis geführt haben, zumindest nach einem Bericht des Internetportals „Spiegel online“. Demnach ziehen die Ermittler nun eine unbeabsichtigte Verunreinigung eines Asservats aus dem Mordfall Peggy K. mit DNA-Material von Uwe Böhnhardt in Betracht. So habe die Tatortgruppe, die im Juli 2016 die sterblichen Überreste von Peggy K. geborgen habe, auch den Leichnam von Uwe Böhnhardt im November 2011 in dem Wohnwagen in Eisenach geborgen. Dabei sei jeweils dasselbe Meterband verwendet worden. Auf diese Weise, so der Bericht, könne DNA-Material Böhnhardts aus dem Jahr 2011, das nach wie vor an dem Metermaß haftete, dann im Juli 2016 an den Fundort der Skeletteile gebracht worden sein.

„Unangebracht, direkt von einer Polizeipanne zu sprechen“

Den möglichen Zusammenhang haben nach Angaben des Berichts Beamte des Bundeskriminalamts hergestellt: Sie hätten Tatortfotos vom Auffinden des toten Böhnhardt mit den Fotos der Bergung der sterblichen Überreste des Mädchens verglichen. Auf den Fotos sei „der gleiche markante Meterstab der Spurensicherung“ zu sehen. Das Messgerät sei „nahezu unverwechselbar“. Dieses „Spurensicherungsgerät“ solle nun auf eine mögliche Verunreinigung hin untersucht werden, teilten das Polizeipräsidium Oberfranken und die Staatsanwaltschaft Bayreuth nach Angaben von „Spiegel online“ am Donnerstagnachmittag mit. Allerdings von einer Stelle, die bislang nicht mit den Ermittlungen betraut war. Weiterhin würden Zeugen befragt, um den genauen Weg der Spur, deren Sicherung und Bearbeitung in Thüringen und Bayern, lückenlos zu überprüfen.

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Eine Labormitarbeiterin separiert im DNA-Labor des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) in München DNA-Proben.

43064558 © dpa Vergrößern Eine Labormitarbeiterin separiert im DNA-Labor des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) in München DNA-Proben.

Dass ein Meterstab der Tatortgruppe auch nach fünf Jahren noch Spuren von einem Tatort zu einem Leichenfundort transportieren kann, halten Rechtsmediziner allerdings für eher unwahrscheinlich. „Sollten zum Beispiel Blutspuren von Uwe Böhnhardt auf dem Meterstab sein, so sind diese nach fünf Jahren eingetrocknet. Es ist schwer vorstellbar, wie diese Spur dann einfach so auf das Asservat übertragen werden kann“, sagt Peter Schneider, Leiter der Forensischen Molekulargenetik am Universitätsklinikum in Köln. Schließlich würde die Spur nicht jahrelang „brav auf dem Meterstab sitzen“. Denn der Stab sei sicher nach dem Einsatz im Wohnwagen in Eisenach an vielen weiteren Tatorten verwendet und zwischendurch auch gereinigt worden. Für Schneider zeigen die neuen Erkenntnisse jedoch, wie gründlich das Bundeskriminalamt nun versucht, die Wege der DNA-Spur nachzuvollziehen und alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. „Da wäre es auch unangebracht, direkt von einer Polizeipanne zu sprechen.“

Uwe Böhnhardt wäre ein Spurenverursacher

Vor genau zwei Wochen war bekannt geworden, dass die Kriminalbiologen an einem Asservat, einem kleinen Stück Stoff, das in der Nähe der sterblichen Überreste des Kinds gefunden worden war, DNA-Material gesichert hatten. Aus diesem Material konnte ein DNA-Muster erstellt werden. Das Muster wurde, Standardprozedere in jedem Tötungsdelikt mit unbekanntem Täter, in die DNA-Analyse-Datei (DAD) des Bundeskriminalamtes (BKA) eingestellt. So wollten die Ermittler prüfen, ob das DNA-Muster aus dem Mordfall Peggy K. auch auf einen anderen Tatort weist oder sogar einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Denn in der DAD sind rund 1,2 Millionen DNA-Muster von Tatortspuren und bereits bekannten Personen gespeichert – auch die DNA-Profile von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Jeden Monat kommen allein rund 9000 neue Datensätze dazu. Der Vergleich mit den Daten in der Datei geht schnell, nach Minuten schon wissen die Ermittler: Treffer – ja oder nein?

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Mit dem Treffer im Fall Peggy K., der auf Uwe Böhnhardt wies, fing die Arbeit für die Soko Peggy allerdings erst an. In alle Richtungen wurde ermittelt, auch eine Verunreinigung des Asservats wurde von Anfang an in Betracht gezogen. Das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Jena, in dem die sterblichen Überreste des Kinds im Sommer untersucht wurden, schloss eine Verunreinigung im Jenaer Institut aus. Zwar wurde dort auch der Leichnam Böhnhardts im Jahr 2011 obduziert. Doch eine Vermischung der Spuren aus beiden Fällen ist demzufolge nicht möglich, da das Asservat aus dem Fall Peggy K., an dem die DNA-Spur gesichert wurde, gar nicht in Jena, sondern im bayerischen Landeskriminalamt (LKA) in München untersucht wurde.

So müssen die Ermittler also weiterhin die Wege genau nachzeichnen, die das Stück Stoff vom Fundort der sterblichen Überreste in einem Waldstück in Thüringen bis auf den Labortisch im LKA in München genommen hat. Dabei geraten nun auch die Personen in den Fokus, die mit der Sicherung des Asservats im Wald und der Auswertung des DNA-Materials zu tun hatten. Und hier interessiert die Ermittler dann vor allem: Hatten diese Personen auch schon mit der Spurensicherung im Zuge der Ermittlungen zum NSU-Komplex zu tun? Sollte sich also bestätigen, dass das DNA-Material Böhnhardts unbeabsichtigt an ein Asservat aus dem Fall Peggy K. gelangte, würde es wieder einmal hervorheben, warum in Strafverfahren ein übereinstimmendes DNA-Profil zunächst als Indiz gewertet wird. Uwe Böhnhardt wäre also das, als was ihn die Ermittler der Soko Peggy bislang immer bezeichnet haben: ein Spurenverursacher.

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