Krankenkassen wollen Rabatte von Doc Morris

© Picture-Alliance DocMorris Filiale: Krankenkassen suchen nach Alternativen für die herkömmlichen Apotheken.

Gesetzliche Krankenkassen wollen das vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippte Verbot von Rabatten im Versandhandel nutzen, um ihre Arzneimittelausgaben zu senken. „Wir haben sehr viele Anfragen von Krankenkassen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Versandapotheke Doc Morris, Olaf Heinrich, der F.A.Z. Sie repräsentierten mehr als 20 Millionen Kunden, knapp ein Drittel der Versicherten. Konkrete Gespräche liefen schon. „Ich gehe davon aus, dass wir bis Ende des Jahres den ersten Vertrag mit einer Krankenkasse abschließen werden“, sagte Heinrich. Nicht nur Verbraucher, auch die Kassen gehörten zu den „Profiteuren“ des Urteils, das Doc Morris vor dem EuGH erstritten hatte. Die deutschen Apotheker lehnen es dagegen ab.

Andreas Mihm Folgen:

Mehrere Kassen bestätigten ihr Interesse der F.A.Z. „Es wäre für uns durchaus attraktiv, wenn auch die Versichertengemeinschaft von möglichen Rabatten profitieren würde“, sagte der Vorstandschef der Siemens-Betriebskrankenkasse, Hans Unterhuber. „Erste Kontakte mit Versandapotheken hat es zu diesem Thema schon gegeben.“ Die bei Rabattverträgen führende AOK Baden-Württemberg sieht im Versandhandel mit Arzneimitteln vor allem in Gegenden mit geringer Apothekendichte „die einzige Form eines Preis- und Servicewettbewerbs, von dem die Patienten auch direkt profitieren können“.

Ergäbe sich die gesetzliche Möglichkeit, dies vertraglich zu unterstützen, „so wäre die AOK Baden-Württemberg wohl die erste Krankenkasse, die dies auch täte“, sagte Vorstandschef Christopher Hermann. Der Gesetzgeber sollte Möglichkeiten schaffen, damit Kassen „für Patienten und die Solidargemeinschaft Preisvorteile mit Versandapotheken“ – und zwar auch deutschen – aushandeln könnten. Ulrike Elsner, Chefin des Ersatzkassenverbands lobt die Debatte über die Preisgestaltung bei Arzneimitteln. „Finanzvorteile müssen allerdings der Versichertengemeinschaft zukommen.“ Die Barmer Ersatzkasse erklärte, jetzt würden „Verträge zwischen Krankenkassen und ausländischen Versandapotheken für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Arzneimittelversorgung“ möglich.

Potentielle Einsparungen von hundert Millionen Euro im Jahr

Solche Kooperationen schweben auch Doc-Morris-Chef Heinrich vor. Wie genau die aussehen und in welchem Umfang die Kassen profitieren könnten, will er aber noch nicht sagen. Mutmaßlich dürfte das von der umgesetzten Menge abhängen. Dann könnte die Kasse ihren Versicherten eine Versandapotheke empfehlen. Die Kunden entscheiden aber selbst, woher sie ihr Medikament beziehen. In Deutschland gilt nicht nur die freie Arztwahl, sie gilt auch für die Apotheke. Ein Anreiz für Kunden und Kasse könnten indes neben dem geldwerten Vorteil von derzeit 2 Euro je Pillenschachtel intensivere Beratung und Betreuung sein. Gute Beratung sei auch per Telefon und Internet möglich. Verbesserte Betreuung reduziere spätere Kosten.

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Der Doc-Morris-Chef schätzt die potentiellen Einsparungen durch mehr Effizienz im Arzneimittelhandel auf mehrere hundert Millionen Euro im Jahr. „500 Millionen sind es auf jeden Fall, vielleicht ist es sogar ein bisschen mehr.“ Das wäre gut ein Prozent des Umsatzes von 40 Milliarden Euro, den deutsche Apotheken mit rezeptpflichtigen Mitteln machen. Davon sollten Kassen und Patienten profitieren.

Der Zuspruch der Kassen könnte Heinrich bei der Stabilisierung seiner politischen Flanke helfen. Denn die Apotheker laufen seit dem Urteil Sturm und verlangen ein sofortiges Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Mitteln. Andreas Kiefer, der Präsident der Bundesapothekerkammer, bekräftigte am Donnerstag: „Wir kämpfen dafür, dass die einheitlichen Preise für rezeptpflichtige Arzneimittel erhalten bleiben.“ Union und Linke stimmen ihm zu, Bayern hat einen Verbots-Gesetzentwurf angekündigt.

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Davon hält der Vorstandschef des Bundesverbands der Ortskrankenkassen (AOK), Martin Litsch, nichts. Dieser Zeitung sagte er, den Versandhandel könne man nicht mehr zurückdrehen. „Ein Verbot, wie manche aus der Politik es jetzt fordern, wäre das falsche Signal.“ Von Rabatten aus Arzneimittelkauf müsse allerdings die Gemeinschaft der Versicherten profitieren, nicht der Einzelne. Den Gesetzgeber warnt Litsch davor, „Schnellschüsse“ zu produzieren. „Er muss nun alle Lösungswege prüfen, die verlässliche Versorgungswege auch in ländlichen Regionen mit geringer Apothekendichte sicherstellen und gleichzeitig Preisvorteile ermöglichen.“

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