Nagelbombe in Ludwigshafen – Zwölf Jahre – Nie war ein Terrorverdächtiger in Deutschland so jung

Erst Weihnachtsmarkt, dann Einkaufszentrum: Ein zwölfjähriger Junge wollte einen Anschlag in Ludwigshafen verüben. Er soll vom IS angeleitet worden sein. Der Fall ist beispiellos.

Der Fall ist schwer fassbar: Ein zwölfjähriger Junge soll in Ludwigshafen zweimal versucht haben, einen Bombenanschlag zu verüben.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat er eine selbst gebaute Nagelbombe am 26. November auf dem Weihnachtsmarkt und nochmals am 5. Dezember in einem Gebüsch nahe dem Rathauscenter deponiert. Zuerst hatte der “ Focus“ darüber berichtet.

Bei dem Jungen handelt es sich um ein 2004 in Ludwigshafen geborenes Kind, das sowohl die deutsche als auch die irakische Staatsbürgerschaft hat. Der Junge habe während der zwei Vorfälle auch da gewohnt.

Der Junge soll in beiden Fällen ein mit „pyrotechnischem Material“ gefülltes Glas in einem Rucksack platziert haben. In den Glasdeckel wurde dem Bericht nach ein Loch gestanzt, aus dem ein Draht geragt haben soll.

Das „pyrotechnische Material“ selber sei aus Feuerwerkskörpern und Wunderkerzen gewonnen worden, sagte der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Rheinland-Pfalz, Sebastian Burkhard, gegenüber der „Welt“. „Es war zwar brennbar, aber nicht explosionsfähig.“

Hier soll ein zwölfjähriger Junge versucht haben, einen Bombenanschlag zu verüben. (Foto: dpa)

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Frankenthal geht aus den bisherigen Ermittlungsakten nicht hervor, wie sich das Pulvergemisch verhalten hätte, wenn es im Glas entzündet worden wäre. Laut „Focus“ sei das Glas mit Klebeband umwickelt und mit Nägeln präpariert gewesen sein.

Tatverdächtiger stark radikalisiert?

Der Sprecher der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe, Stefan Biehl, bestätigte gegenüber der „Welt“, dass wegen des „Fundes einer Nagelbombe“ die Ermittlungen wegen des Verdachts auf eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ aufgenommen wurden. Aus ermittlungstaktischen Gründen könne er zu dem Fall jedoch keine weiteren Angaben machen.

In dem Bericht hieß es weiter, dass der „stark religiös radikalisierte“ Junge nach Erkenntnissen der Ermittler womöglich von einem „unbekannten Mitglied“ der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) „angestiftet oder angeleitet“ wurde. Nach Informationen des SWR soll dies über den Messengerdienst Telegram geschehen sein.

In einer ersten Reaktion zeigte sich die Bundesregierung alarmiert über den Verdacht gegen den Zwölfjährigen. „Das ist natürlich eine Meldung, die jeden aufschrecken lässt“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Weil er unter 14 Jahre alt ist, ist er nach deutschem Recht strafunmündig. „Wir werden kein Verfahren eröffnen“, erklärte Biehl weiter. Um das Kind werde sich das Jugendamt kümmern.

Schon nach dem ersten Vorfall im November wurde das Jugendamt eingeschaltet. Aktuell befinde er sich in einer „gesicherten Einrichtung“, wie eine Sprecherin des Jugendamtes Ludwigshafen gegenüber der „Welt“ sagte.

Justizministerium: „Strafbarkeit kann vorliegen“

Der Sprecher des Bundesjustizministeriums, Piotr Malachowski, sagte, nur weil jemand nicht strafmündig sei, bedeute dies noch lange nicht, „dass keine Strafbarkeit vorliegt“.

Malachowski konkretisierte gegenüber der „Welt“, sofern sich herausstellt, dass strafmündige Personen an einem Fall beteiligt sind, können Ermittlungen in Richtung einer mittelbaren Täterschaft angestoßen werden. Das Rechtsmittel erlaubt eine „Strafbarkeit des Tatnächsten“.

Parallel gebe es für Personen unter 14 Jahren mehrere erzieherische Methoden. So könnten diese in einer Einrichtung der Jugendhilfe untergebracht werden, wo Deradikalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Ferner sei auch eine Unterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie möglich.

In der Vergangenheit gab es mehrere Fälle in Deutschland, bei denen die mutmaßlichen Täter vom IS gesteuert sein sollten. Nie war ein Verdächtiger jedoch so jung.

Die Attentäter von Ansbach und Würzburg hatten beide mehrfach Kontakt zu mutmaßlichen Mitgliedern des IS. Demnach sollen der 27-Jährige und 17-Jährige vor ihren jeweiligen Taten in Chats Rat eingeholt haben, auf welche Weise sie Menschen töten können.

Im Februar dieses Jahres griff eine 15-jährige IS-Sympathisantin einen Polizisten in Hannover mit einem Messer an. Sechs Monate später erhob die Bundesanwaltschaft Anklage wegen versuchten Mordes. Die Tat sei eine „Märtyreroperation“ für die Terrormiliz IS gewesen, erklärte die Behörde.

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