Krieg in Syrien: Das umkämpfte Tor nach Raqqa

© AFP Syrische oppositionelle Rebellen feuern gegen eine IS-Stellung bei Al Bab: Die Kämpfe um den kleinen Ort in der Nähe von Aleppo halten an.

Als die Brigaden der Operation „Schutzschild Euphrat“ Ende August in die Stadt Dscharablus einrückten, glich ihr Feldzug noch einem Spaziergang. Türkische Panzer waren vorausgefahren, die syrischen Rebellenbrigaden, die unter dem Banner der türkisch geführten Militäroperation kämpfen, brauchten kaum einen Schuss abzufeuern. Denn die Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) waren abgezogen. Die Straßen, in denen die Eroberer feierten, wiesen kaum Kampfspuren auf. In Dabiq, jener für die IS-Propaganda symbolisch hoch aufgeladenen Stadt, sollte eine Endzeitschlacht gegen die Ungläubigen aus dem Westen geschlagen und gewonnen werden. Aber der IS zog auch von dort ab. Die Apokalypse fiel aus.

Christoph Ehrhardt Folgen:

Die Zeiten haben sich geändert. Seit Wochen dauert die Belagerung der Kleinstadt Al Bab an – eine Kleinstadt nordöstlich von Aleppo, etwa vierzig Kilometer südlich der türkisch-syrischen Grenze gelegen. Al Bab ist strategisch bedeutend, denn der Ort, der zu deutsch „Das Tor“ heißt, ist eben jenes: in die syrische IS-Bastion Raqqa und weiter ins Innere Syriens.

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Das syrische Regime beäugt daher den türkisch geführten Vorstoß in Al Bab mit großem Misstrauen. Schließlich ist Präsident Recep Tayyip Erdogan einer der entschiedensten Gegner von Baschar al Assad. Aber der syrische Präsident hat in dieser Angelegenheit offenbar nur bedingt mitzureden. Schon im Zuge der Aleppo-Offensive hatte es von Diplomaten geheißen, Al Bab sei Teil eines Handels, den sein Schutzherr Wladimir Putin mit Erdogan geschlossen habe – damals wurde indes vermutet, dass eine Eroberung der Stadt durch die „Schutzschild Euphrat“-Allianz nicht vorgesehen war. Aber offenbar hat der Kreml nichts mehr dagegen. Das Thema war auch Gegenstand der jüngsten Gespräche in Moskau, wo beide Schutzmächte des Damaszener Regimes – Russland und Iran – gemeinsam mit der Türkei über Syrien verhandelten. Für Assad dürfte es im Zuge dessen schwerer werden, beide gegeneinander auszuspielen, sagt ein mit Syrien befasster Diplomat.

Erbitterter Widerstand der Dschihadisten, Zivilisten zwischen Fronten

Bisher sieht es allerdings nicht so aus, als müsse Damaskus mit einem schnellen Sieg der Türken-Rebellen-Operation in Al Bab rechnen. Hier leisten die Dschihadisten erbitterten Widerstand. Sie haben Verteidigungsgräben ausgehoben, Sprengfallen gelegt, schicken Selbstmordattentäter, die gepanzerte, mit Sprengstoff präparierte Fahrzeuge steuern, in die gegnerischen Linien. Über die Weihnachtstage lieferten sie sich heftige Gefechte mit den Angreifern. Weit mehr als ein Dutzend türkische Soldaten sind allein in der vergangenen Woche getötet worden. Die IS-Propaganda zeigt Kämpfer, die einen Haufen erbeutete Armeerucksäcke und Stahlhelme durchwühlen, auf einem Kampfpanzer des Typs Leopard 2 herumturnen. Wie die Dschihadisten mit den schweren Gefährten mit Panzerabwehrraketen erfolgreich zu Leibe rücken. Zuletzt gelangten Bilder an die Öffentlichkeit, die zeigen, wie zwei türkische Soldaten, die der IS gefangengenommen hatte, aus Käfigen geführt und bei lebendigem Leibe verbrannt wurden.

Zwar wurden Flugblätter über Al Bab abgeworfen, um die Bevölkerung dazu zu drängen, die Kleinstadt zu verlassen. Aber die Dschihadisten lassen sie nicht fortgehen. Wieder einmal geraten Zivilisten zwischen die Fronten. Bei heftigen Luftangriffen, welche die Al-Bab-Offensive unterstützen, wurden nach übereinstimmenden Berichten schon Dutzende Zivilisten getötet. Am Montag teilte die türkische Armee mit, die Dschihadisten hätten mindestens dreißig Zivilisten getötet, als diese versucht hätten, aus der Kleinstadt zu fliehen.

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