Waffenruhe in Syrien droht zu scheitern

Kurz hat es danach ausgesehen, der federführend von Russland ausverhandelte Waffenstillstand würde wirklich den Durchbruch für eine diplomatische Lösung in Syrien bedeuten. Noch am Donnerstag sprach der syrische Außenminister von einer „wirklichen Gelegenheit“, das Blutvergießen zu beenden. Am Samstag sollte der UN-Sicherheitsrat über den russischen Syrien-Plan abstimmen (mehr dazu hier).

Voraussetzung dafür wäre freilich das Halten des Waffenstillstands. Und das ist keine 48 Stunden, nachdem dieser in der Nacht auf Freitag in Kraft getreten ist, schon wieder fraglich. In einer am Samstag verbreiteten Erklärung drohen mehrere Rebellengruppen damit, die landesweite Feuerpause für nichtig zu erklären. Sie werfen der Regierung und deren Verbündeten anhaltende Verstöße gegen die vereinbarte Waffenruhe vor. Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete in der Früh von Luftangriffen auf Rebellenstellungen nahe der Hauptstadt Damaskus. Nach Angaben der Beobachtungsstelle, die sich auf ein Netzwerk von Aktivisten in Syrien stützt und deren Angaben von unabhängiger Seite kaum überprüfbar sind, wurden bei den Gefechten am Freitag fünf Rebellenkämpfer und zwei Zivilisten getötet.

Unter den Rebellengruppen sollen aber auch Kämpfer der Jabhat Fateh al-Sham, der früheren Nusra-Front. Die Gruppe gilt als Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida in Syrien, hatte sich vor Monaten offiziell aber von dem Netzwerk losgesagt. Und diese ist zusammen mit dem IS von der Waffenruhe ausgenommen und wird auch offiziell weiter von der syrischen Armee und Russland bekämpft. Ansonsten soll die Waffenruhe jedoch weitgehend eingehalten worden sein.

Türkische Offensive gegen IS

Zudem wurde die russisch-türkische Offensive gegen die vom IS gehaltene Stadt Al-Bab fortgesetzt. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete unter Berufung auf die Streitkräfte die Zerstörung von zwölf Zielen. Bei Angriffen aus der Luft und am Boden seien insgesamt 23 IS-Terroristen „neutralisiert“ worden. Damit ist im Sprachgebrauch türkischer Behörden gemeint, dass sie entweder getötet, verletzt oder gefangen genommen und damit kampfunfähig gemacht wurden.

Die türkische Offensive zur Eroberung von Al-Bab dauert seit Tagen an. Seit vorvergangenem Mittwoch kostete sie mindestens 17 türkische Soldaten das Leben. Die Türkei hatte im August eine Bodenoffensive in Syrien begonnen, mit der sie Rebellen unterstützt. Den Verbündeten ist es im Zuge der Operation „Schutzschild Euphrat“ gelungen, den IS von der türkisch-syrischen Grenze zu verdrängen. Die Türkei bekämpft in Nordsyrien zugleich die Kurdenmiliz YPG, die eng mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden ist – und am Freitag eine Verfassung für das von ihnen kontrollierte Gebiet im Norden Syriens beschlossen hat.

Konflikt mit Kurden

Der „Sozialvertrag“ sieht die Bildung einer gesetzgebenden Versammlung vor. „Die Wahlen werden innerhalb von sechs Monaten organisiert“, sagte der Vorsitzende des Exekutivkomitees für die Wahlvorbereitung, Mansur al-Sulum.

Im Verlauf des Bürgerkriegs in Syrien haben die Kurden ihre Autonomieansprüche ausgebaut. Seit 2012 beanspruchen sie drei „autonome Verwaltungen“ in Afrin, Kobane und Jazire mit eigenen Polizeikräften und Schulen. Im März proklamierten sie eine „föderale Region“, die aus diesen drei Gebieten besteht. Von der syrischen Staatsführung unter Präsident Bashar al-Assad und der syrischen Opposition wurde dies zurückgewiesen.

Rund 15 Prozent der syrischen Bevölkerung sind Kurden. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) erhielten im syrischen Bürgerkrieg Unterstützung durch die USA. Von der benachbarten Türkei werden sie als „terroristische“ Gruppierung eingestuft. Eine Beteiligung der Kurden an möglichen Syrien-Friedensgesprächen schloss die Regierung in Ankara daher noch am Freitag aus.

 „Wir haben Russland von Anfang an gesagt, dass eine Terrororganisation wie die YPG nicht in Astana dabei sein soll“, erklärte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Die USA seien hingegen willkommen. Die YPG könne nur dann Teil einer „umfassenden Lösung“ für Syrien sein, wenn sie „ihre Waffen niederlegt und die territoriale Integrität Syriens unterstützt“, erklärte Cavusoglu.

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