Umstrittene Äußerungen: Höckes moralische Verdunkelung

© dpa Björn Höcke beim Landesparteitag der AfD in Thüringen (2016)

Die AfD ist eine kuriose Partei. Man möchte sich für einen Moment vorstellen, in einer anderen Partei wäre Ähnliches geschehen. Ein Landesvorsitzender hält eine Rede, in der er den zentralen Ort des Denkmals für die ermordeten Juden Europas kritisiert. Politische Gegner kritisieren den Landesvorsitzenden auf das Schärfste und das, wie man sagen kann, zu Recht. Der zentrale Standort des Denkmals entspricht der Bedeutung, welche die Erinnerungskultur in der Bundesrepublik hat. Schließlich gehört die Losung, Menschheitsverbrechen wie die Schoa dürften sich niemals wiederholen, zum Fundament der bundesrepublikanischen Verfassungsordnung.

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Und gerade als der Landesvorsitzende mit rhetorischen Angriffen bedacht wird, bezeichnet ihn seine eigene Bundesvorsitzende als Belastung für die Partei. Ihr Ehemann nennt das Verhalten des Landesvorsitzende gar parteischädigend – ein Begriff, der vor allem deshalb von Bedeutung ist, weil er nach den Statuten der AfD einen Parteiausschluss rechtfertigt und auch sonst als unverhohlene Aufforderung zum freiwilligen Parteiaustritt zu verstehen ist. Sie reihen sich ein in die Riege der Kritiker, was man als Haltung verstehen könnte, wenn sie in der Vergangenheit nicht selbst zu denen gehört hätten, die Provokationen äußerten und sich dann als Opfer einer böswilligen Öffentlichkeit inszenierten. Stichwort: Schusswaffengebrauch an der Grenze.

Lieber nationale Größe als stille Nachdenklichkeit

Was dürften Beobachter über eine solche Partei sagen, ohne sich von ihren Anhängern anhören zu müssen, sie verdrehten die Tatsachen? Eines mit Sicherheit: Dass sie in einem Maße zerstritten ist, welches in letzter Konsequenz nur den Schluss zulässt, dass Personen wie Frauke Petry und Marcus Pretzell auf der einen Seite, und Funktionäre wie Björn Höcke und Alexander Gauland auf der anderen Seite auf Dauer nicht zusammenarbeiten können. Etwas anderes aber auch: Dass Höcke nicht mit Stolz auf die Integrität blickt, mit der sich Deutschland seiner Vergangenheit gestellt hat, sondern mit einem Gefühl der Angegriffenheit.

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Dass er sich für die Hauptstadt lieber eine pompöse Inszenierung nationaler Größe wünscht, als neben viel Herrschaftsarchitektur auch einen Ort stiller Nachdenklichkeit, an dem nicht ein therapiebedürftiger Schuldkomplex, sondern eine Haltung von moralischer Größe ausgedrückt wird. Selbst in den romantischen Begrifflichkeiten eines Björn Höcke könnte daraus ein Nationalstolz erwachsen, der nicht ausgrenzt.

Der Grund liegt aus moralischer Sicht im Dunkeln

Es gibt viele Orte in Berlin, an denen der Toten gedacht wird. In Laufweite des Denkmals für die ermordeten Juden steht in Berlin die Neue Wache. Es ist ein leerer, stiller Raum mit nichts als einer Skulptur von Käthe Kollwitz in seiner Mitte: eine Mutter mit ihrem toten Sohn. Das Denkmal ist die zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Auch an deren Tod trugen mitunter Deutsche schuld, auch ihr Tod war eine finstere Episode der deutschen Geschichte. Kritik an solchen Denkmälern war in rechtsradikalen Kreisen in den vergangenen Jahren jedoch nicht zu hören gewesen. Und das, obwohl die Opfer in beiden Fällen Unschuldige waren, und deutsche Bürger. Den Grund für diese Unterscheidung zwischen den einen und den – angeblich – anderen mag man gar nicht hören. Er liegt, aus moralischer Sicht, im Dunkeln.

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