Keine Winterpause auf Fluchtrouten

Spätestens seit der ÖVP-Forderung, die Flüchtlingsobergrenze für das laufende Jahr auf 17.000 zu halbieren, geistert wieder das Phantom von neuen Grenzkontrollen herum. Wie berichtet, kann sich SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil vorstellen, diese auch auf die Grenze zur Slowakei auszudehnen. Und er sieht auch am Brenner zwischen Italien und Tirol einen neuen Brennpunkt entstehen.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ortet an der Brenner-Grenze hingegen keinen Handlungsbedarf, wie dessen Sprecher Andreas Großschartner erklärt: „Wir sehen keine signifikante Veränderung in den letzten Wochen und daher auch keine Veranlassung, etwas zu verändern, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir mit den Italienern sehr gut zusammenarbeiten.“

Der Winter bedeutete in der Vergangenheit für die Behörden entlang der Mittelmeerroute, die über den Brenner weiter nach Deutschland führt, eine gewisse Ruhephase. Doch ein Blick nach Bayern zeigt, dass die raue See zwischen Afrika und Europa den Zustrom nicht mehr abebben lässt.

„Es gibt bei der Migration keine bestimmten Jahreszeiten mehr. Wir machen durchgängig Feststellungen“, sagt Rainer Scharf von der Bundespolizeiinspektion Rosenheim. Im Zuständigkeitsbereich seiner Dienststelle liegen 650 Kilometer der deutschen Grenze zu Österreich – inklusive der Kontrollpunkte Kufstein und Walserberg. Im Inntaldreieck münden zudem die Brenner- und Balkanroute.

77.000 in einem Jahr

Die Zahl der Aufgriffe in diesem Raum ist daher ein Indiz für die Migrationsbewegung durch Österreich. „Wir haben im Dezember 1300 Migranten festgestellt. Die monatlichen Aufgriffe haben sich im vergangenen Quartal etwa auf diese Zahl eingependelt“, sagt Scharf. 77.000 Menschen haben im Vorjahr versucht, über Österreich illegal nach Bayern einzureisen, der Großteil davon Anfang 2016. Allein im Jänner wurden von der Bundespolizei in Rosenheim 38.200 Flüchtlinge registriert.

Nach dem Schließen der Balkanroute sackte die Zahl im März auf 2300. Derzeit werden im Schnitt 30 bis 60 Personen täglich aufgegriffen. Konkrete Details zu den Flüchtlingsströmen will die Bundespolizei kommende Woche bekannt geben. Doch so viel verrät Scharf bereits: „Die Brenner-Route spielt hier eine sehr wichtige Rolle.“

Die Polizei in Tirol sieht noch keine Zuspitzung der Lage am Brenner. „Es gibt Migration. Aber es hält sich derzeit eher in Grenzen“, sagt Astrid Mair von der Einsatz-, Grenz- und Fremdenpolizeilichen Abteilung (EGFA). Im Jänner zeichne sich bisher sogar eine moderate Entspannung ab.

In den letzten drei Monaten des Vorjahres hat die Tiroler Polizei zwischen 720 und 788 Migranten aufgegriffen. In den ersten beiden Jänner-Wochen waren es 291. In den Zahlen inkludiert sind auch die Rückübernahmen von Deutschland: Bis 15. Jänner waren das 85 Personen. Die im Vorjahr von den italienische Behörden verschärften Kontrollen entlang der Route in Richtung Norden zeigen ihre Wirkung. „Die Italiener machen ihre Hausaufgaben sehr gut“, sagt Mair. Das ist wichtig, da der Druck aus dem Süden weiter steigt. 2016 hat Italien rund 200.000 Anlandungen verzeichnet – neuer Rekord und fast 30.000 mehr als 2015, und in etwa 50.000 mehr als 2014.

Weniger Asylanträge

Einen neuen Höchststand gibt es auch bei den Aufgriffen in Tirol. 2016 waren es 11.812 (siehe Grafik). 4981 dieser Personen wurden von der deutschen Polizei erwischt und nach Österreich zurückgeschickt. Rückläufig ist bemerkenswerterweise gleichzeitig aber die Zahl der Asylanträge.

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