Doris Knecht: „Alles über Beziehungen“

Bei so einem wie Jerry Cotton sagt man gleich: Den gab es nicht, so was gibt es nicht.

Zu übertrieben.

Dabei ist er doch bloß einer vom FBI, hart, aber herzlich und eh nur durchschnittlich intelligent.

Jetzt stellt Doris Knecht in ihrem vierten Roman (nach „Gruber geht!“, nach „Besser“ und nach „Wald“) den Viktor vor, er hat eine Lebensgefährtin, zwei Exfrauen, fünf Kinder, und er hat – mitunter hat er sie gleichzeitig:

Josi, Helen, Anja, Camille, Lisbeth.

Dazwischen masturbiert er.

Viktor ist Kulturmanager, knapp 50, er hat Glatze, er hat Bauch, hohen Blutdruck, ein paar Nasen am Montag, Gras am Dienstag, ab Mittwoch Alkohol …

Übertrieben? Aber geh wo denn. Es gibt ihn. Überall rennt ein Viktor herum.

Keine Opfer

Die auch als Buchautorin erfolgreiche KURIER-Kolumnistin sagt dazu: „Fast jeder hat so eine Geschichte wie in meinem Buch schon einmal so ähnlich erlebt: entweder von der einen oder von der anderen Seite.“

Von den Leuten, die das Buch bisher schon gelesen haben, habe jeder und jede ein anderes gelesen.

„Jeder identifiziert sich aufgrund eigener Erfahrungen mit einem anderen Charakter, jede liest es aus einer eigenen Perspektive.“

Viktor macht Sinn. Das ist (für manche zumindest) das zweite Erstaunliche am Roman „Alles über Beziehungen“, den man schnell liest, und danach lässt man alles sickern.

„Nun ja, sagen wir so: Die Frauen in meinem Buch sind keine Opfer. Und jede von ihnen hat ihre eigenen Gründe, sich auf einen wie Viktor einzulassen: Es geht um Bedürfnisse, um Defizite, um Aufregung, um Geheimnisse.“

Vielliebe

Kerzenlicht wird man beim Lesen keines brauchen.

„Stimmt. Es ist ein eher wenig romantisches Buch über die Liebe, und was passieren kann, wenn man sie verliert oder verspielt. Es ist aber auch ein Nachdenken über moderne Beziehungen: Ist jeder Betrug wirklich ein Betrug? Was ist Treue oder Loyalität, wer definiert das?“

Jedenfalls passt es gut zum Thema: Polyamorie, Vielliebe. Wobei damit eine offene Beziehung gemeint ist, die keinem wehtun sollte.

Viktor tut weh. Seiner Lebensgefährtin, die sich einen Schrebergarten gewünscht hat, tut er weh. Sie hat Viktor anders kennengelernt – nicht auf diese Art: „Hallo, mein Name ist Viktor, ich bin hypersexuell.“ Das Buch ist nicht lustig, auch wenn man oft lachen muss.

Doris Knecht:
„Alles über Beziehungen“
Rowohlt Berlin.
288 Seiten.
23,60 Euro.

Keine Wertung für KURIER-Kollegen

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