Juventus ist nicht Paris

Barcelona misslingt der Versuch einer weiteren magischen Nacht – Turin erspielt in Spanien beeindruckend ein 0:0.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Im Kinofilm „Mission Impossible“ erhielt der von Tom Cruise gespielte Held Ethan Hawk seine Aufträge vom Vorgesetzten immer in elektronischer Form. Fünf Sekunden nach Übermittlung zerstörten sich die Nachrichten selbst. Luis Enrique ist der Trainer des FC Barcelona, und was er seinem Team am Mittwochabend in Barcelona auftragen musste, war zwar auch eine unmögliche Mission: im Viertelfinale der Champions League sollte Barça gegen Juventus Turin den 0:3-Rückstand aus dem Hinspiel aufholen. Luis Enriques Anweisungen kamen aber weder elektronisch daher noch zerstörten sie sich selbst. „Angreifen, angreifen und wieder angreifen“, hatte er seinem Team als Devise mit auf dem Weg gegeben. Doch am Ende reichte es nicht: Mit einer beeindruckenden Defensivleistung ermauerte sich Juventus ein 0:0 – und zog ins Halbfinale ein.

42 Tage nach dem zum Wunder erklärten Sieg gegen Paris St. Germain (6:1 nach 0:4-Hinspielniederlage) versuchte Barcelona von Beginn an, dem Spiel jenes infernale Tempo aufzudrücken, das Aufholjagden eigen ist. Doch Juventus ertrug dies mit stoischen Ruhe und Selbstsicherheit. Kein Wunder. Im Tor stand der 39-jährige Gianluigi Buffon, der in 20 Jahren nur ein einziges Mal in einem europäische Wettbewerb ein Spiel mit 0:3 verlor – vor fünfzehn Jahren. Derselbe Buffon war vor dem Spiel überdies der einzige der weltbesten Torhüter der Gegenwart, der noch nie ein Tor von Lionel Messi zugelassen hatte. Und Messi war eben der Mann, auf dessen Füße die Gemeinde im Camp Nou hoffte.

Barcelona kam zu Chancen, doch mit weniger Klarheit, als die Katalanen es sich erhofft hatten. Zu groß war die defensive Solidität der Turiner, die solidarisch den eigenen Strafraum verteidigten. Pässe in den Strafraum – nahezu Fehlanzeige. Zu dicht standen die Turiner beieinander. Sogar Mario Mandzukic, in einem früheren Bundesliga-Leben Mittelstürmer, opferte sich erbarmungslos im defensiven Mittelfeld auf, an der Seite des deutschen Nationalspielers Sami Khedira. Ein richtiges Raunen ging erst durchs Rund, als Linksverteidiger Jordi Alba an einem gelupften Pass von Messi vorbeirutschte (14.). Und erst recht, als Messi persönlich aus zwölf Metern aufs Tor schoss – und knapp verzog. Nach einer halben Stunde versuchte er es aus der Distanz, doch Buffon konnte ohne größere Mühen abwehren (30.). Auf der anderen Seite hatte Gonzalo Higuaín eine blendende Gelegenheit (37.), doch Barças lange beschäftigungsloser Torwart Marc-André ter Stegen parierte.

Ansonsten litt Barcelona darunter, dass der Referee Björn Kuipers auf keinen Fall als Heimschiedsrichter gelten wollte – eingedenk dessen, dass beim 6:1 gegen Paris der Bundesliga-Schiedsrichter Deniz Aytekin als wichtiger Faktor des Erfolgs ausgemacht wurde. Die Folge: wütende Proteste der Katalanen, die sich bei nahezu jedem Spielzug beschwerten. Nicht immer zurecht, unter anderem aber, als Juves Pjanic Messi beim Kopfball unterlief. Beim Aufprall schlug sich Messi die Wange blutig (43.). Doch er konnte weitermachen.

Nach der Pause versuchte es Barça weiterhin vergeblich, Juves defensive Disziplin aufzubrechen. Messi war bei zwei Distanzschüssen (51./56.) und einem direkten Freistoß erfolglos, zudem blieb Juve durch Konter über die kolumbianische Offensivkraft Juan Cuadrado gefährlich (49./53.). Noch mehr als die vergebenen Chancen aber ärgerte die Turiner, dass Khedira nach gut einer Stunde Gelb sah – wegen einer wilden Grätsche gegen Luis Suarez. Khedira machte seinen Kollegen Alex Sandro gepflegt zur Schnecke, durch einen unnötigen Ballverlust hatte er Khedira erst zum Tackling genötigt. Nun ist der deutsche Sechser fürs Halbfinal-Hinspiel gesperrt.

Nach und nach wurde die Zeit zum größten Alliierten der Italiener – neben der Abschlussungenauigkeit des FC Barcelona. Messi setzte einen Volleyschuss aus kurzer Distanz übers Tor (66.), Sergi Roberto scheiterte mit einem Diagonalschuss aus 14 Metern, der eingewechselte Mascerano kam noch zu einer Großchance (79.). Doch es reichte nicht: Im Halbfinale sind die Madrider Klubs Real und Atlético in diesem Jahr allein. Denn Juventus wankte nicht, Juventus ließ Messi und Barça in Melancholie ersterben. Eiskalt.

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