Carl Bernstein für aggressive Suche nach Wahrheit in dunklen Zeiten

Der Pulitzerpreisträger Carl Bernstein hat am Donnerstagabend ein ernüchterndes Bild von der US-amerikanischen Medien- und Politiklandschaft gezeichnet. Die Journalisten rief er in seiner Keynote bei den Journalismustagen in Wien zur aggressiven Suche nach der Wahrheit zu nutzen.

Bernstein wurde gemeinsam mit seinem Kollegen Bob Woodward als „Watergate“-Aufdecker berühmt. „Die bestmögliche Version der Wahrheit“ zu finden, ist seitdem sein journalistisches Credo. Die Medien müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie zum Wohle der Öffentlichkeit arbeiten – „nicht nur, um Geld zu machen oder Kontroversen zu befeuern“.

Sündenregister der Medien

Diese Selbstsicht sei aber den US-amerikanischen Medien gehörig abhandengekommen, hatte Bernstein jede Menge Tadel für seine Zunft im Gepäck. „Eigeninteressen, Karrierismus, das eigene Fortkommen, ideologische und kulturelle Kriegsführung“ stehen seiner Ansicht nach im Sündenregister der Branche. Der politische und gesellschaftliche Diskurs sei eine Kakophonie von Beschimpfungen, ideologischen Kämpfen und „einfachen Antworten auf schwierige Fragen“ geworden.

Widerstand notwendig

Dabei herrsche derzeit „die große Gefahr der Dunkelheit für die freien Gesellschaften“, warnte Bernstein. Regierungen, „die im Geheimen operieren, die uns – die Presse, die Öffentlichkeit – davon abhalten wollen, die bestmögliche Version der Wahrheit herauszufinden“, arbeiteten entschlossen an dieser finsteren Zeit. Journalisten müssten dem Widerstand leisten „und ihr Bestes geben“.

Im Wahlkampf versagt

Im langen US-Wahlkampf hätten die großen Medien aber versagt, weil sie viel zu spät in investigative Berichterstattung über die Kandidaten eingestiegen seien. Nun aber müssten sie tagtäglich an der „großen Story der USA“ schreiben, die da laute: „Wer ist Donald Trump?“ Für Bernstein ist erwiesen und nachweisbar: Der amtierende US-Präsident sei ein Lügner, habe eine nie zuvor dagewesene „Ignoranz“ ins Weiße Haus gebracht und er sei „ethisch blind“ für die massiven Interessenskonflikte zwischen seinem Amt und den Geschäften seiner Familie.

„Generation haram“ ist „Story des Jahres“

Der Preis für die „Story des Jahres“ ging an Mit der Auszeichnung „Story des Jahres“ würdigten die Veranstalter der Journalismustage auch heuer wieder die schlicht beste Geschichte des Jahres „unabhängig von der Art des Mediums oder von Status der AutorInnen“. Über 100 Einreichungen gab es. Den Preis erhielt schließlich  Melisa Erkurt für ihren „biber“-Artikel „Generation haram“. Die Story habe einen „Einblick in eine Welt, die so nah ist und gleichzeitig doch so fern für die meisten Menschen“ geboten, so Vorjahres-Preisträgerin Sibylle Hamann für die Jury. Und sie zeuge von „einer Expertise, die im Journalismus wenige haben: Sie bringt uns nämlich gesellschaftlich weiter“.

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