„Es wird keinen Kampf um ein Kapitänsamt geben“

  • Thomas Müller gibt bei einer Pressekonferenz einen Einblick in dies bayerischen Wochen zwischen Triumph und Trauer.
  • Wenn Philipp Lahm im Sommer die Mannschaft verlässt, wird Müller der letzte Bayer im Team sein.
  • Er weist jeden Anspruch auf das Kapitänsamt entschieden zurück, allerdings auf eine Art, die ihn doch als den perfekten Kapitän erscheinen lässt.
Von Claudio Catuogno

Doch, Thomas Müller hat am Dienstagabend den Fernseher schon mal angemacht zwischendurch. Real gegen Atlético, Champions-League-Halbfinale ohne bayerische Beteiligung. „Ein bisschen hab‘ ich geschaut“, sagt er – aber die Erkenntnis, dass Cristiano Ronaldo „ein Phänomen“ ist, war für Thomas Müller nicht wirklich neu. Allerdings wäre Müller nicht Müller, fiele ihm zu den inzwischen 106 Europapokaltoren des Portugiesen nicht noch ein Spruch ein, den er jetzt grinsend hinterherschiebt: Man könne nicht „über so viele Jahre solche Zahlen auflegen“ wie Ronaldo, ohne ein Phänomen zu sein – „so oft wird man von den Mitspielern nicht angeschossen“.

Thomas Müller ist auch deshalb ein Fachmann auf diesem Gebiet, weil er in Fußballkreisen selbst als Phänomen gilt. Er war Torschützenkönig bei zwei Weltmeisterschaften, und das, ohne dass man ihn je auf einem offiziell ausgeschilderten Laufweg gesehen hätte. Doch in einer Saison, in der nicht nur die Champions-League-Vorschlussrunde ohne den FC Bayern stattfindet, sondern auch das Pokalfinale, hat der Ruf des unkonventionellen Instinkttorjägers Thomas Müller etwas gelitten.

Fünf Saisontore in der Liga, drei in der Champions League: Im Vergleich zu – in allen drei Wettbewerben – 32 Treffern in der Saison davor war das auch für ihn eine Enttäuschung. Wenngleich ihm bewusst ist, dass es im Vorjahr „überdurchschnittlich“ gut lief: „Wenn du die Messlatte höher legst, wirst du eben daran gemessen.“ Was Müller weit mehr gewurmt hat als die bloßen Zahlen: „dass ich dieses Jahr in den vermeintlich wichtigen Spielen nicht die Rolle gespielt habe, die ich spielen wollte“.

Müller findet, er hat sich herangearbeitet

Vor allem die Champions League fand oft ohne ihn statt, „der Trainer hatte da seine erste Elf gefunden und ist der auch treu geblieben“. Müller hat das verstanden, diese Elf „hat ja bis vor drei Wochen auch alles gewonnen“. Wobei er schon findet, dass er sich im Laufe der Rückrunde wieder herangearbeitet hat an seine Qualitäten von einst, auch, weil er im variierten System des Trainers Carlo Ancelotti öfter zentral oder aus der Halbposition heraus agieren durfte und nicht mehr, wie zu Saisonbeginn, auf dem rechten Flügel zwangsgeparkt wurde. Bloß: „Dadurch, dass ich in der Hinrunde so lange bei null Saisontoren stand, kommt halt eine Debatte auf, und dann verselbständigt sich das.“

Am vergangenen Samstag sind die Bayern zum fünften Mal in Serie deutscher Meister geworden – Rekord! Für Müller war es zugleich die erste Meisterschaft in dem Wissen, dass in der laufenden Spielzeit kein weiterer Titel mehr folgen wird. Emotional sei das nach dem entscheidenden 6:0 in Wolfsburg kein großer Unterschied gewesen, beteuert er. Aber Müller macht sich auch keine Illusionen darüber, dass diese Saison nun vor allem über die Frage definiert wird, was nicht geklappt hat. Sogar der Präsident Uli Hoeneß hat ja kürzlich angemerkt, dass „ein Titel auf Dauer ein bisschen wenig“ sei. Woraufhin Karl-Heinz Rummenigge zwar widersprach („Man darf den Anspruch nicht ins Unermessliche führen“) – aber auch der Vorstandschef wird im Sommer versuchen, die Mannschaft so umzubauen, dass es demnächst wieder ein bisschen mehr sein darf als nur die Meisterschaft.

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