Martin Schulz steht unter Druck vor den Landtagswahlen.

© dpa Stehen die Rosenkavaliere bald mit leeren Händen da? Martin Schulz (rechts) und Torsten Albig

Der Wahlkalender schien dramaturgisch der SPD in die Hände zu spielen. Mitte März, als Martin Schulz zum SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten gewählt worden war, rief er den Delegierten des außerordentlichen Bundesparteitages in Berlin zu, wie er sich die nächsten Wochen vorstelle: Erst werde Anke Rehlinger Ministerpräsidentin des Saarlandes, dann entschieden die Wähler in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, seinem „Heimatbundesland“, dass Torsten Albig und Hannelore Kraft ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen könnten. Sodann das Finale: Er, Schulz, wolle der nächste Bundeskanzler der Bundesrepublik werden.

Majid Sattar Folgen:

Keine zwei Monate später ist Ernüchterung eingekehrt. In Saarbrücken ging die Sache bekanntlich schief. Rehlinger, deren Aufgabe es sein sollte, Annegret Kramp-Karrenbauer, den politischen Klon Angela Merkels, aus der Staatskanzlei zu verjagen, muss sich weiterhin mit der Rolle des Juniorpartners begnügen. Und die Umfragen für die Landtage in Kiel und Düsseldorf, Schulz’ Zwischenetappen auf dem Weg ins Kanzleramt, verheißen auch nichts Gutes. Dann ist da noch der demoskopische Einbruch für die Bundespartei, die inzwischen wieder unterhalb der 30-Prozent-Marke taxiert wird. Dabei hatte Schulz nach der Landtagswahl im Saarland – an die Adresse der Union gerichtet – noch trotzig orakelt: Man möge sich nicht zu früh freuen.

Unter den Vorzeichen einer Niederlage

Auch jetzt noch hält der Kanzlerkandidat dagegen: „Als ich gewählt wurde, lag die SPD bei maximal 21 Prozent in den Umfragen. Jetzt liegen wir 100 Tage später bei 29,30 Prozent.“ Wenn in den nächsten 100 Tagen die Entwicklung so weitergehe, sei er zufrieden. Eigentlich verhielt es sich mit der Entwicklung ein wenig anders: Als Sigmar Gabriel Schulz im Januar die Kanzlerkandidatur antrug, bewegte sich die Partei in den Umfragen zwischen 21 und 24 Prozent. Sodann ging es hinauf auf bis zu 34 Prozent – und wieder bergab auf 29, Richtung 28 Prozent. Kurzum: Das Feuer ist noch nicht erloschen, aber eine Menge Stroh, das ebenso lichterloh wie kurz brannte, hatte sich offensichtlich unter das Holz gemischt.

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Infografik / landtagswahlen in schleswig-holstein 1947 bis 2012 © F.A.Z. Vergrößern

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In der SPD macht man sich keine Illusionen darüber, welche Folgen es haben würde, sollte die CDU aus einer oder gar beiden Wahlen als Sieger hervorgehen. Dann wäre es endgültig vorbei mit dem schulzschen Wahlkampfkonzept der selbstberauschenden Autosuggestion. Erstmals in der bald zwölf Jahre währenden Kanzlerschaft Merkels wäre es der CDU gelungen, eine in dieser Zeit verlorene Staatskanzlei zurückzuerobern. SPD-Wahlkämpfer aus Berlin gestehen nach Besuchen an der Küste ein, man spüre, die CDU ziehe an.

Schlechte Nachrichten von der Förde würden wiederum den Wahlkämpfern an Rhein und Ruhr schaden. Anders als die Umfragen im Norden bietet die Demoskopie für den Westen der Republik bislang kein eindeutiges Bild. Ein Endspurt unter den Vorzeichen einer Niederlage in Schleswig-Holstein wäre da aus Krafts Sicht höchst ärgerlich. Und ein Machtverlust in Düsseldorf beziehungsweise eine Degradierung zum Juniorpartner einer großen Koalition wäre für die SPD ein Super-GAU. Ohne ein gutes Ergebnis im bevölkerungsreichsten Bundesland kann die SPD die Bundestagswahl vergessen, zumal die Partei im Süden und in Teilen des Ostens den Volksparteicharakter längst eingebüßt hat.

Wieder auf Distanz zu R2G-Ideen

Noch ist freilich nichts passiert. Und so, wie es sich mit den Umfragen zuletzt verhielt, ist es nicht ausgeschlossen, dass die SPD ihre Bastionen doch verteidigen kann. Auch für diesen Fall wird Schulz allerdings die nächste Phase seiner Kampagne einleiten müssen. Bislang versuchte er, sich mit möglichst unkonkreten – und nicht selten plattitüdenhaften – Aussagen dem Wahltermin nähern zu können. Das hatte zwar zur Folge, dass er bei seinen örtlichen Auftritten zwar die SPD-Anhängerschaft mobilisierte und Hallen füllte. Aber darüber hinaus fand er in den bundespolitischen Debatten nicht statt.

© dpa, reuters Wahl in Schleswig-Holstein: SPD hofft auf Schulz-Effekt

Das soll schon am Montag anders werden. Dann plant Schulz, bei der Industrie- und Handelskammer in Berlin eine Rede zum Thema „Gerechtigkeit und Innovation“ zu halten; es soll, so heißt es, eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede werden, gleichsam eine Wegmarke auf dem Weg zum Dortmunder Programmparteitag Ende Juni.

Interessant ist die Kombination „Gerechtigkeit und Innovation“, die eine Anleihe an Schröders Neue-Mitte-Wahlkampf von 1998 ist. Bislang fehlte dieser Innovationsaspekt bei Schulz, der zudem Vorschläge machte, die Agenda 2010 korrigieren zu wollen. Das sollte seinerzeit ein Signal an die Linken in der eigenen Partei und an die Linkspartei sein. Die Landtagswahl im Saarland hat allerdings gezeigt, dass die Wähler kein Linksbündnis wollen. Seither geht der Kanzlerkandidat wieder auf Distanz zu R2G-Ideen. Das fällt derzeit umso leichter, als die Umfragen einem solchen Bündnis auch keine Mehrheiten mehr voraussagen.

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