Was tun, wenn mein Chef mich zu dick findet?

Ann-Kathrin H. wiegt über 100 Kilo und ist mit sich im Reinen. Durch ihren Arbeitgeber fühlt sie sich unter Druck gesetzt, deutlich abzunehmen. Nun bittet sie den SZ-Jobcoach um Rat.

SZ-Leserin Ann-Kathrin H. fragt:

Ich bin Abteilungsleiterin in einem Münchener Konzern, in dem Gesundheit und Fitness der Mitarbeiter großgeschrieben werden. Es gibt jede Menge Sport- und Beratungsangebote. Solange das auf freiwilliger Basis abläuft, finde ich es sehr gut. Nun wurde ein Programm für Führungskräfte aufgelegt, das den Namen „Fitness für Manager“ trägt. Dazu gehören ein Gesundheitscheck, eine Ernährungsberatung und bei Bedarf ein Programm zur Gewichtsreduktion. Die Teilnahme am Programm ist zwar formal nicht verpflichtend, aber der soziale Druck ist beträchtlich. Gerade mein sportlicher Bereichsleiter ist ein großer Mentor dieses Programms und hat schon nachgefragt, ob ich auch mitmache. Ich habe mich also angemeldet und erfahren, dass ich innerhalb eines Jahres von 103 Kilo auf 77 Kilo abspecken soll. Das ist für mich ein Schock, denn ich bin mit mir absolut im Reinen, und auch mein Mann findet mich gut, so wie ich bin. Kann ich mich als einzige, noch dazu übergewichtige Führungskraft widersetzen?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau H., ein Arbeitgeber darf nur dann von seinen Mitarbeitern eine Abspeckkur verlangen, wenn deren BodyMass-Index im direkten Zusammenhang mit der erwarteten und zugesagten Arbeitsleistung steht. Da Sie nicht in einem Beruf arbeiten, in dem es entscheidend auf Ihr Aussehen (wie etwa Model) oder Ihre Vorbildlichkeit (Diätassistentin) ankommt, können Sie sich mit allem Recht der Welt einer Schlankheitskur widersetzen. Zumal diese in Ihrem Fall ja auch nur als Empfehlung daherkommt, die vom Anbieter dieses Fitnessprogramms ausgesprochen wurde. Wenn Ihr Bereichsleiter derselben Meinung ist, so ist das seine Privatsache. Solange Sie Ihre Arbeit tun und es keine Beschwerden hagelt, kann Sie niemand zwingen, gegen Ihren Willen abzunehmen.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Deutschland und Schweden. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher zu Kommunikations- und Personalthemen.

Eine ganz andere Frage ist, ob Sie der Empfehlung der Fitnessberater freiwillig Folge leisten sollten. Dafür sprechen nicht nur eine Menge medizinischer Argumente, die Sie vermutlich alle kennen, sondern auch die von Ihnen geschilderte Haltung ihres Vorgesetzten. Bekanntlich liegt die Schönheit im Auge des Betrachters. Ihrer Schilderung zufolge würde er es offenbar begrüßen, wenn Sie schlanker werden würden. Bevor Sie jetzt aufbrausen: Selbstverständlich sind Sie nicht fürs Aussehen, sondern fürs Abteilungsleiten eingestellt worden. Nur wissen Sie so gut wie ich, dass sich fast alle Menschen von Äußerlichkeiten beeinflussen lassen, ob bewusst oder unbewusst.

Was und wen wir schön finden, das und den halten wir auch für gut. Das ist überhaupt nicht logisch, aber psychologisch nachvollziehbar und bedeutet: Was wäre, wenn Ihre Erscheinung seinen Blick für Ihre Leistung trüben würde? Im Klartext: Wenn Sie nicht abspecken, könnten Sie ihn gegen sich aufbringen. Die Gründe dafür spielen keine Rolle. Vielleicht erinnern Sie ihn an seine Tante Herta, in deren Umarmung er als Knirps kaum Luft bekommen hat. Oder er macht sich wirklich Sorgen um Ihre Gesundheit.

Wie auch immer: Wenn Sie seinen Anstupser – und mehr ist es nicht – barsch, schnippisch, resolut oder hohnlächelnd ablehnen, verheißt das nichts Gutes für Ihre weitere Zusammenarbeit. Begründen Sie Ihr Nein humorvoll, bringen Sie ihn unweigerlich zum Schmunzeln – „keine gute Idee, Herr Chef, mein Mann und ich lieben jedes Kilo“. Oder halten Sie ihn hin, machen aber gleichzeitig Ihre Souveränität deutlich: „Ich wäge noch das Für und Wider ab.“ Und dann schauen Sie mal, was passiert. Vielleicht vergisst er den Punkt, wenn die Fitnesswelle ausgerollt ist. Falls nicht, können Sie sich beim geringsten Anzeichen einer etwaigen Diskriminierung an den Betriebsrat wenden und protestieren. Wenn Sie Beweise liefern (aber auch nur dann!), würde Ihr Chef völlig zu Recht verwarnt. Nur: Was haben Sie dann gewonnen?

Wenn Sie partout nicht abnehmen wollen, ist das Ihre höchstpersönliche Entscheidung. Sollte Ihr Vorgesetzter jedoch Druck machen, dann möge er Ihnen doch mal erklären, was Ihr Gewicht mit Ihrer Kompetenz und Arbeitsleistung zu tun hat. Hören Sie gut zu und überdenken Sie seine Argumente. Vielleicht ist an der einen oder anderen Stelle tatsächlich etwas dran. Danach entscheiden Sie – und nur Sie -, was Sie tun.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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