Wen macht Emmanuel Macron zu seinem Regierungschef?

Auf der einen Seite hat der künftige Präsident angekündigt, dass er jemanden mit großer politischer Erfahrung einem Neuling vorzieht. Auf der anderen Seite betont er, er wolle eigentlich keine früheren Minister in seine Regierung holen.

Beim Thema „Frau oder Mann“ lässt er ebenso Raum für Spekulationen. Sein Wunsch wäre es, eine Frau zur Premierministerin zu ernennen, sagte er im Wahlkampf. Gleichzeitig machte er deutlich, dass er auch einen Mann auswählen könnte, wenn er diesen für besser geeignet hält.

Politisch gesehen ist die Entscheidung für Macron eine äußerst schwierige Angelegenheit. Damit er wirklich effektiv regieren kann, muss er bei der Parlamentswahl am 11. und 18. Juni eine Mehrheit für seine erst vor einem Jahr gegründet politische Bewegung „En Marche!“ zusammenbekommen. Deswegen könnte er versucht sein, statt eines Kandidaten aus dem eigenen Umfeld einen Vertreter aus den Reihen der großen etablierten Parteien zu ernennen.

Dies könnte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich die Anhänger des jeweiligen Lagers dafür entscheiden, dem neuen Präsidenten bei der Parlamentswahl eine stabile Mehrheit zu verschaffen. Wenn Macron diese Mehrheit verwehrt bleibt, wird er sich wahrscheinlich nach einem Koalitionspartner umschauen müssen, der dann eine Regierungsumbildung und den Posten des Premierministers einfordern würde.

Die Liste potenzieller Kandidaten ist deswegen lang.

Wenn es eher bürgerlich-konservativ sein soll:

Xavier Bertrand (52): Der frühere Minister und Parteichef gehört seit langem zum Führungspersonal der französischen Konservativen. Derzeit ist er Präsident des Regionalrates von Hauts-de-France.

Édouard Philippe (46): Der Abgeordnete gehört zu den jungen Gesichtern der bürgerlich-konservativen Republikaner. Er war Mitglied im Wahlkampfteam von François Fillon, verließ es aber, als dieser mit Vorwürfen der Scheinbeschäftigung von Angehörigen konfrontiert wurde.

Christine Lagarde (61): Die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF war unter Präsident Nicolas Sarkozy schon einmal Wirtschafts- und Finanzministerin. Aus dieser Zeit hat sie allerdings immer noch eine alte Affäre am Hals.

François Baroin (51): Der frühere Haushalts- und Finanzminister hat sich selbst ins Spiel gebracht. Er hofft darauf, dass Macrons Bewegung „En marche“ bei der Parlamentswahl nicht stärkste politische Kraft wird.

Nathalie Kosciusko-Morizet (43): Sie wäre ebenfalls eine Kandidatin aus dem bürgerlich-konservativen Lager. Kosciusko-Morizet war von 2010 bis 2012 Umweltministerin unter Präsident Nicolas Sarkozy.

Wenn es eher die Mitte oder jemand aus dem eigenen Lager sein soll:

Sylvie Goulard (52): Die liberale Europaabgeordnete gilt als Vertraute Macrons. Wenn die Wahl auf sie fiele, könnte das auch ein Signal in Richtung Berlin sein: Goulard spricht fließend Deutsch.

Richard Ferrand (54): Der Parlamentsabgeordnete hatte im vergangenen Jahr den Sozialisten den Rücken gekehrt und als Generalsekretär bei Macrons Bewegung „En Marche!“ angeheuert. Er kann nun auf eine Belohnung für die harte Arbeit der vergangenen Monate hoffen.

François Bayrou (65): Der Zentrumspolitiker hatte seine eigenen Ambitionen auf das Amt des Staatschefs bereits vor der ersten Wahlrunde zugunsten Macrons begraben. Auch er kann auf eine Belohnung hoffen.

Anne-Marie Idrac (65): Die Vertraute Bayrous leitete früher öffentliche Verkehrsunternehmen und war bereits zwei Mal Staatssekretärin.

Wenn es eher links sein soll:

Jean-Yves Le Drian (69): Der Verteidigungsminister von François Hollande entschied sich als einer der ersten Regierungspolitiker dafür, nicht den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Benoît Hamon, sondern Macron zu unterstützen.

Gérard Collomb (69): Der Senator und Bürgermeister von Lyon gehört zu den Unterstützern der ersten Stunde.

Bertrand Delanoë (66): Der frühere Bürgermeister von Paris gehört zu den Granden der Sozialistischen Partei.

Fazit: Macron hat es bislang geschafft, seine Überlegungen und Gespräche zum Thema Premierminister völlig geheimzuhalten. In Paris wird es nicht ausgeschlossen, dass er jemanden zum Regierungschef ernennt, den bislang niemand auf dem Zettel hat. Spätestens am kommenden Sonntag wird allerdings eine Ansage erwartet. Dann übernimmt Macron die Amtsgeschäfte vom scheidenden Präsidenten Hollande.

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