ÖVP wählt Sebastian Kurz mit 98,7 Prozent zum Parteichef

Kurz galt in der Partei schon lange als Hoffnungsträger und übernahm das Ruder vor sieben Wochen, nachdem sein Vorgänger Reinhold Mitterlehner nach monatelangen Machtkämpfen das Handtuch geworfen hatte. Bei der Abstimmung erhielt Kurz respektable 98,7 Prozent der Delegiertenstimmen – das ist das zweitbeste Ergebnis der jüngeren Parteigeschichte, die Bestmarke von 99,1 Prozent hält damit weiterhin ausgerechnet Mitterlehner.

Wie Kurz erhielten auch die Stellvertreter, die er sich ausgesucht hat, hohe Zustimmung am Parteitag: Casinos-Vorständin Bettina Glatz-Kremsner bekam 98,1 Prozent, die Bregenzer Stadträtin Veronika Marte 98,3 Prozent, die steirische Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl 99,2 Prozent und der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer 98,9 Prozent. Das neue Führungsteam feierte danach bei einem Sommerfest mit 5.000 Unterstützern der „Bewegung Kurz“.

Grünes Licht gab es auch für die von Kurz verlangte Statutenänderung. Kurz bekommt damit bei wesentlichen Personal- und Strategieentscheidungen weitgehend freie Hand – sei es bei der Bestellung von Generalsekretären oder Regierungsmitgliedern, der Erstellung von Wahllisten oder bei der inhaltlichen Positionierung.

„Zeit für Neues“ war denn auch auf der Bühne im Linzer Design Center zu lesen, auf der Container in der neuen Parteifarbe türkis Aufbruch signalisieren sollten. Er sei überzeugt, dass es die Veränderung brauche, bedankte sich Kurz in seiner gut 40-minütigen Rede dafür, dass seine Parteifreunde die Statutenänderungen ohne Murren abgesegnet hatten. Es werde auch nicht die letzte Veränderung für die ÖVP sein. Wenn sich die Partei verändere, könne man wieder so stark werden, dass man das Land verändern könne, stellte Kurz indirekt den Kanzler-Anspruch.

Die Bundespolitik sei derzeit vor allem davon geprägt, dass man „sich gegenseitig anpatzt und versucht, den anderen schlecht zu machen“, befand Kurz. Er sei „nicht naiv“, in den nächsten Monaten „wird alles noch sehr schmutzig werden“, warnte er mit Blick auf den Wahlkampf. Er glaube aber, es sei richtig, „dass wir uns dabei nicht beteiligen“, versprach er einmal mehr.

Keine neuen Aussagen zur „neuen Volkspartei“

Neue inhaltliche Ansagen gab es von Kurz am Parteitag der „neuen Volkspartei“ keine, stattdessen konzentrierte er sich wie schon in den vergangenen Wochen auf die Themenbereiche Wirtschaft, Soziales und Flüchtlinge. „Hören wir bitte auf, die Dinge schön zu reden“, forderte er abermals. Zur Wirtschaftspolitik erklärte Kurz, er habe den Anspruch, Österreich „zurück an die Spitze“ zu führen. Der Staat müsse wieder mehr Gestaltungsräume ermöglichen, „indem wir Steuern, Abgaben und Gebühren wieder senken“, bekräftigte er. „Manche sagen, eine (Steuer-)Quote von 40 Prozent ist total ambitioniert, aber ich bin fest davon überzeugt, das ist machbar.“

Beim Sozialsystem stiegen ständig die Ausgaben, die Qualität aber nicht. Explizit erwähnt wurden von Kurz etwa pflegende Angehörige, man müsse sicherstellen, dass diese „nicht Bittsteller in unserem System sind, sondern einfach die Unterstützung bekommen, die sie brauchen“, blieb er allerdings vage.

Erneut wandte sich Kurz auch dagegen, „die Willkommenskultur zu beschwören, ohne daran zu denken, wie das mit der Integration in den Jahren danach funktionieren soll“. Kurz pochte auch darauf, dass die Mittelmeer-Route geschlossen werden müsse, „und das besser heute als morgen“.

Dem scheidenden Koalitionspartner SPÖ waren Kurz‘ Aussagen letztlich gar „zu unkonkret“, um sie inhaltlich zu kritisieren. „Verblüffenderweise war einfach nichts Neues dabei“, urteilte der rote Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler und kündigte deshalb an, dem neuen ÖVP-Chef „ein Exemplar des Plan A mit der Post zu schicken“, um ihm „inhaltlich auf die Sprünge“ zu helfen. Nach seiner Wahl müsse Kurz nun in zentralen Fragen Farbe bekennen, befand auch Grünen-Chefin Ingrid Felipe.

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