Diesel-Skandal – Anklage gegen Ex-VW-Chef Winterkorn erhoben

„Das Landgericht Braunschweig hat die Anklage am Freitag erhalten und wird jetzt die Klage-Zulassung prfüen“, sagte am Montag der zuständige Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Er sprach von einem wichtigen Zwischenschritt.

Anwalt von Ex-VW-Chef Winterkorn erhebt Vorwürfe gegen Ankläger

Die Verteidigung des ehemaligen VW-Chefs Martin Winterkorn erhebt Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Die habe vor ihrer Anklageerhebung im Abgas-Skandal einen Antrag der Verteidigung ignoriert, ließ Winterkorns Anwalt Felix Dörr am Montag in einer Stellungnahme erklären. „Die Verteidigung wird sich auf diese ‚Gangart‘ der Staatsanwaltschaft einstellen“, heißt es in der Erklärung. Nach dieser Darstellung hatte die Anklagebehörde der Verteidigung zuletzt am 5. April sieben DVDs mit rund 300 Ordnern Material zugesandt – „davon Dutzende von Dateiordnern, die der Verteidigung bislang unbekannt waren“. Der Bitte, das Material durchsehen und eine schriftliche Stellungnahme abgeben zu können, sei nicht entsprochen worden.

Die Klage richtet sich gegen fünf Führungskräfte, die „eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen“ begangen hätten. Dabei gehe es um einen besonders schweren Fall von Betrug sowie einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Winterkorn wird zudem Untreue vorgehalten, weil er nach dem 25. April 2014 nach Kenntnis von rechtswidrigen Manipulationen an Diesel-Motoren diese nicht umgehend bekanntgegeben habe.

Winterkorn drohen bis zu zehn Jahren Haft

Winterkorn und den anderen Beschuldigten drohen allein für den Betrugsvorwurf zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Der Betrug fand laut Anklage zwischen November 2006 und September 2015 statt. Die einzelnen Beschuldigten – laut Staatsanwaltschaft handelt es sich bei den anderen vier um „Führungskräfte“ – wussten demnach  unterschiedlich lang davon. 

Winterkorn beispielsweise werfen die Ermittler auch Untreue vor, weil er seit Ende Mai 2014 von den Manipulationen wusste, diese aber weder den zuständigen Behörden anzeigte noch den weiteren Einbau der Schummelsoftware verhinderte. Der Skandal war erst im September 2015 nach Ermittlungen der US-Umweltbehörde EPA öffentlich geworden.

Laut der Staatsanwaltschaft hatte Winterkorn davor noch versucht, den Betrug zu verschleiern. So habe er im November 2014 ein Softwareupdate durchführen lassen, das den wahren Grund für die zu hohen Stickoxid-Emissionen im täglichen Betrieb der Dieselautos überdecken sollte.

Staatsanwaltschaft will Verantwortlichen Boni wegnehmen

Für Volkswagen war es laut der Mitteilung wichtig, dass die Diesel auf dem Papier sauber waren, da sie so Marktanteile halten beziehungsweise ausbauen konnten. Der Konzern habe die Betrugsautos offensiv als umweltfreundlich beworben.

Insgesamt kommen die Ermittler auf neun Millionen Autos der Marken VW, Audi, Seat und Skoda, die nicht auf der Straße hätten fahren dürfen. Für die Beschuldigten bedeutete das wiederum Boni in Millionenhöhe, die sie unberechtigterweise bezogen. Diese Boni in Höhe von 300.000 bis elf Millionen Euro will die Staatsanwaltschaft den Verantwortlichen wieder wegnehmen. 

Schaden auch durch Steuerbefreiung

Schaden entstand der Gesellschaft laut der Anklage nicht nur durch die zu hohen Schadstoff-Emissionen, sondern auch durch unberechtigte Steuerbefreiungen, die die Käufer der Schummeldiesel bekamen. Wer zwischen 2011 und 2013 einen der „saubersten Diesel seiner Klasse“ kaufte, bekam dafür einen Steuerrabatt von maximal 150 Euro.

Die Anklageschrift ist laut Staatsanwaltschaft insgesamt 692 Seiten dick. Dazu kommen 300 Aktenbände mit 75.000 Seiten Beweisen. Das zuständige Landgericht Braunschweig muss nun über die Zulassung der erhobenen Anklage entscheiden.

Was das für Volkswagen bedeutet

Der Volkswagen-Konzern selbst ist von der Anklage nur mittelbar betroffen. „Die nun bekannt gewordene Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegenüber Herrn Winterkorn und weiteren Beschuldigten stehen im Zusammenhang mit individuellen Ermittlungen gegen Einzelpersonen, zu denen sich die Volkswagen AG nicht äußert“, erklärte der Konzern. Wie die Wolfsburger weiter betonten, sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Volkswagen und Tochter Audi seit der Zahlung von Bußgeldern in Höhe von einer Milliarde Euro beziehungsweise 800 Millionen Euro eingestellt. 

Für die 36 übrigen Einzelpersonen, gegen die die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt, ist die Sache hingegen nicht ausgestanden. Wann ihre Verfahren abgeschlossen werden, ist laut der Mitteilung offen.

Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft zu Winterkorn im Wortlaut:

„Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat nach Teilabschluss ihrer Ermittlungen im NoX-Verfahren zum sogenannten ‚Diesel-Skandal‘ Anklage gegen fünf Beschuldigte vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig erhoben. Unter ihnen befindet sich auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende Dr. Winterkorn.

Vorgeworfen wird den jeweils als Führungskräften eingestuften Personen eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen, insbesondere ein besonders schwerer Fall des Betruges und ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Darüber hinaus ist für einige der Angeschuldigten der für eine Anklage erforderliche hinreichende Tatverdacht bejaht worden, sich als Täter oder Teilnehmer wegen Untreue, Steuerhinterziehung und mittelbarer Falschbeurkundung strafbar gemacht zu haben. Der Tatzeitraum erstreckt sich auf die Zeit zwischen dem 15.11.2006 und dem 22.9.2015, die individuellen Tatzeiten der Angeschuldigten sind unterschiedlich lang.

Dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Martin Winterkorn wird tateinheitlich ein besonders schwerer Fall des Betruges, ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sowie eine Untreue vorgeworfen, weil er es seit dem 25.5.2014 als ‚Garant‘ unterlassen habe, nach Kenntnis der rechtswidrigen Manipulationen an Diesel-Motoren diese gegenüber den zuständigen Behörden in Europa und den USA sowie gegenüber den Kunden offen zu legen und den weiteren Einbau der sogenannten ‚Abschalteinrichtungen‘ als auch den Vertrieb der Fahrzeuge mit diesem ‚defeat device‘ zu untersagen. Hierdurch sei es am Ende sowohl in Deutschland als auch den USA zu der Verhängung deutlich höherer Geldbußen gegen die Volkswagen  AG gekommen.

Zudem, so der Vorwurf der Anklage, habe der Konzern mit Wissen und Billigung auch des Angeschuldigten Dr. Winterkorn im November 2014 ein Softwareupdate mit Kosten von 23 Millionen Euro durchgeführt, das nutzlos war und dazu dienen sollte, den wahren Grund für die erhöhten Schadstoffwerte im Normalbetrieb der Fahrzeuge weiterhin zu verschleiern.“

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