Physikalische Einheiten: Leb wohl, Ur-Kilo

  • Ab Montag gelten neue Regeln im internationalen SI-Einheitssystem, die wichtigsten physikalischen Einheiten werden auf neue Grundlagen gestellt.
  • Das bedeutet auch das Ende des Ur-Kilogramms, einem Platinzylinder, der bei Paris aufbewahrt wird.
  • Künftig basiert die Definition des Kilogramms auf dem Zahlenwert der Planck-Konstante.
Von Marlene Weiß

Das war’s dann wohl. An diesem Montag ist Welt-Metrologietag – und damit treten die Änderungen im internationalen SI-Einheitensystem in Kraft, die im vergangenen Jahr beschlossen wurden. Das bedeutet unter anderem das Ende für das Ur-Kilogramm, einem Platinzylinder in einem Tresor im Internationalen Büro für Maß und Gewicht bei Paris. Seit 1889 definierte dieses altmodische Stück Metall überall auf der Welt, wie schwer ein Kilogramm ist: so schwer wie jenes Pariser Vorbild. Diese Regelung war jedoch unpraktisch, zumal die Last der Verantwortung das Ur-Kilogramm über die Jahre schrumpfen ließ.

Besonders frustrierend war dieses Problem für Physiker und andere Pedanten, weil sich auch die Einheiten für Stoffmengen und Stromstärken, Mol und Ampere, im SI-System auf das Kilogramm bezogen, sie waren ebenso anachronistisch und unpräzise definiert. Und dann war da noch das Kelvin, die Temperatureinheit, die sich bislang über jene Temperatur knapp über 0 Grad Celsius definierte, bei der Wasser sowohl fest als auch flüssig und gasförmig sein kann – auch schrecklich unpräzise.

Watt-Waagen und perfekte Siliziumkugeln

Lange arbeiteten mehrere Wissenschaftler-Teams deshalb an einer Neudefinition dieser vier Problem-Einheiten. Das Ziel war, sie auf unveränderliche Naturkonstanten zurückzuführen – so wie etwa die Lichtgeschwindigkeit, über die sich schon lange die Längeneinheit Meter definiert. Doch wenn Naturkonstanten eine brauchbare Definition liefern sollen, muss man sie erst einmal präzise genug bestimmen. Mehr als zwei Jahrzehnte lang feilten darum Forscher an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig daran, die Atome in nahezu perfekten Siliziumkugeln zu zählen. Andere Teams in den USA und Kanada arbeiteten parallel an sogenannten Watt-Waagen. Mit solchen Experimenten lassen sich bestimmte Naturkonstanten sehr genau messen.

Im vergangenen Jahr waren die Forscher fertig, die nötige Präzision war erreicht. Im November 2018 verabschiedeten die Staaten der sogenannten Meterkonvention die neuen Definitionen auf der Generalkonferenz für Maße und Gewichte in Paris – und von diesem Montag an sind sie international gültig. Die Neuregelung stellt das alte System vom Kopf auf die Füße: Statt das Kilogramm über einen Platinzylinder festzuschreiben und dann an den Naturkonstanten herumzumessen, werden künftig die Zahlenwerte der zentralen Konstanten festgelegt – und nach diesen richten sich die Einheiten.

Während etwa bislang ein Mol der Zahl Atome in zwölf Gramm eines bestimmten Kohlenstoff-Isotops entsprach, was ungefähr 602,2 Trilliarden Teilchen waren (die sogenannte Avogadro-Konstante), gilt künftig: Ein Mol sind genau 602,214076 Trilliarden Teilchen. Ähnlich ergeht es dem Kilogramm, das künftig die Einheit ist, bei der die Planck-Konstante exakt den Wert 0,0000000000000000000000000 0000000662607015 kg mal Quadratmeter pro Sekunde annimmt.

Physik Wie das metrische System reformiert wird

Wie das metrische System reformiert wird

Die sieben fundamentalen Maßeinheiten werden zukünftig auf Naturkonstanten basieren. Über eine Umwälzung, die im Alltag unbemerkt bleiben soll.   Von Christopher Schrader


Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*