Nach dem Inflations-Schock knickt Trump vor China ein

Als Apple-Chef Tim Cook im März im Weißen Haus gastierte, nannte ihn der amerikanische Präsident Donald Trump kurzerhand Tim Apple. Cook verzog keine Miene. Der Spitzenmanager könnte die neueste Volte aus Washington nun als Wiedergutmachung für den Versprecher empfinden. Denn die hilft „Tim Apple“ besonders.

Kurz vor ihrem geplanten Inkrafttreten hat Donald Trumps Handelsbeauftragter die neuen Zölle auf chinesische Tech-Produkte verschoben. Die sollen nun nicht im September, sondern frühestens Mitte Dezember kommen. Die Apple-Aktie schoss sofort nach Ankündigung dieser Pläne in die Höhe und notierte am späten Nachmittag sechs Prozent im Plus. Das verhalf auch der Technologiebörse Nasdaq zu einem kräftigen Sprung um 2,6 Prozent.

Doch nicht nur amerikanische Technologiewerte wie Apple profitierten am Dienstag von der vorläufigen Entspannung im Handelskonflikt zwischen China und den USA. Rund um den Globus drehte die Stimmung an den Finanzmärkten. Der Deutsche Aktienindex (Dax) arbeitete sich vom Minus ins Plus. Notierte das Börsenbarometer noch am Vormittag mehr als ein Prozent im negativen Bereich, so stand der Index gegen Handelsende fast 100 Punkte über dem Stand vom Vortag. Größte Gewinner waren exportorientierte Werte wie Daimler, Volkswagen und Infineon.

Quelle: Infografik WELT

Auch an den Rohstoffmärkten löste Trumps Volte eine Trendwende aus. Die Preise für Öl und Kupfer schossen kräftig in die Höhe. Rohstoffe gelten als konjunktursensibel, sie leiden also besonders unter Handelsspannungen und profitieren entsprechend von Signalen der Entspannung.

„Die überraschende Entscheidung der Amerikaner, die Zölle auszusetzen, ist ein positiver Kontrapunkt in einem Konzert von schlechten Nachrichten“, sagte Andreas Hürkamp, Anlagestratege bei der Commerzbank. Er spielt auf die jüngsten Gewinnwarnungen großer Konzerne und insgesamt schlechte Konjunkturzahlen an. Noch am Morgen hatte der deutsche Konsumgüterkonzern Henkel seine Geschäftserwartungen nach unten korrigiert. Der ZEW-Konjunkturausblick, ein viel beachteter Wirtschaftsindikator, war auf -41,1 Punkte gefallen, das war der niedrigste Wert seit 2011. Damals hatte sich die Euro-Schuldenkrise nahe ihres Höhepunkts befunden.

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Experten spekulieren bereits, was hinter dem plötzlichen Gesinnungswandel im Weißen Haus stecken könnte. Möglicherweise hat der Präsident in einer Kurznachricht über Twitter unbeabsichtigt den wahren Grund offenbart. Darin schrieb er nämlich, dass die Zölle auf chinesische Einfuhren ein Segen für für Amerika seien und keineswegs die Inflation antreiben würde.

Am Nachmittag allerdings waren neue Preisdaten aus Amerika bekannt geworden. Die hatten einen unerwartet heftigen Anstieg der Kerninflationsrate gezeigt. Die Rate, die die volatilen Preise für Nahrungsmittel und Energie ausklammert, war im Vergleich zum Vormonat um 0,3 Prozent und im Vorjahresvergleich um 2,2 Prozent gestiegen. Das war der stärkste Inflationszuwachs in diesem Jahr.

Quelle: Infografik WELT

Ökonomen nennen die amerikanischen Inflationszahlen durchaus brisant. „Die Steigerung der Verbraucherpreise darf nicht völlig ignoriert werden“, sagte James Knightley, Ökonom bei der niederländischen Großbank ING. Insgesamt scheine die Inflation zwar halbwegs unter Kontrolle zu sein, doch ein so starker Anstieg der Kerninflation sei in der Form dann doch nicht erwartet worden. „Dass die Kerninflation zweimal hintereinander von Monat auf Monat um 0,3 Prozent ansteigt, ist seit 2001 nicht mehr passiert.“ Das lasse daran zweifeln, ob die amerikanische Notenbank Federal Reserve ihren für die nächsten Monate erwarteten Zinssenkungskurs auch wirklich durchführen könne.

Und Zinssenkungen sind für Trump so etwas wie der Zaubertrank für das Wahljahr 2020. Ohne eine lockere US-Geldpolitik dürften die Aktienmärkte nicht weiter steigen, die Trump zum Gradmesser seines Erfolgs ausgerufen hat. Nicht zuletzt braucht er auch niedrigere Zinsen für seine expansive Wirtschaftspolitik. Seine Administration hat in den ersten zehn Monaten des laufenden Fiskaljahres mit 867 Milliarden Dollar mehr Schulden gemacht als im gesamten vergangenen Jahr. Schon bald dürfte beim Haushaltsdefizit die Marke von einer Billion Dollar überschritten werden.

Die Verschiebung der Zölle kann damit als wichtiger taktischer Schritt verstanden werden, um die Wiederwahl im kommenden Jahr zu sichern. Und diesem Ziel ordnet Trump derzeit alles unter. Ob das nun ein Vorteil von Tim Apple ist oder nicht.

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Quelle: WELT/Dietmar Deffner

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