Streit in Deutschland über Russlands Abwesenheit bei G-7

Die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industrienationen treffen sich seit Samstagnachmittag im französischen Küstenort Biarritz – darunter Donald Trump, Angela Merkel und Emmanuel Macron. Ein Politiker fehlt seit Jahren in der Runde: Wladimir Putin. Seit der Besetzung der Krim im März 2014 wird der russische Präsident zu den G-7-Treffen nicht mehr eingeladen. Besonders im Osten Deutschlands, aber auch bei einigen Bundespolitikern stößt dieser Ausschluss auf Unverständnis.

Die Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt werben nun für einen neuen Anlauf im Dialog mit Russland. „Ich will den Teilnehmern des G-7-Treffens keine Ratschläge von der Seite geben. Aber je mehr Formate es gibt, um mit Russland zu sprechen, desto besser“, erklärte Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, dieser Zeitung.

Sprachlosigkeit habe in Krisenzeiten noch nie geholfen. „Auch deshalb habe ich Wladimir Putin bei meinem Besuch in St. Petersburg nach Sachsen eingeladen. Was die Beziehungen zu Russland angeht, sind wir im Osten sensibler als im Westen“, sagte Kretschmer weiter. Dass Moskau dauerhaft von Gesprächen ausgeschlossen bleibe und mit Sanktionen belegt werde, fände in Ostdeutschland keinen Beifall.

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Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) plädiert für einen Dialog. „Der Ausschluss Russlands aus der damaligen G8 aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim“ sei zu jenem Zeitpunkt richtig gewesen. Die Ausgrenzung habe „aus heutiger Sicht jedoch die Situation der Menschen dort ebenso wenig verbessert wie die seither gegen Russland verhängten Sanktionen“.

Stattdessen hätten die politische Isolation und wirtschaftliche Schwächung die autokratischen Tendenzen in Russland befördert. Die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Russland, an deren Ende auch eine Wiederaufnahme in die G-8 stehen könnte, wäre kein Zeichen unzulässiger Nachgiebigkeit des Westens, „sondern vielmehr eines von Souveränität und politischer Weitsicht“.

Ramelow kritisierte zudem „die negativen Wirkungen der ,America First‘-Ideologie des amerikanischen Präsidenten“. Sie sei „nicht nur ein Risiko für die gedeihliche weltwirtschaftliche Entwicklung“, sondern schwäche auch die internationalen Beziehungen. „Auch diese Tendenzen verdienen deutliche Worte. Am besten schon beim nächsten Gipfeltreffen“, forderte Ramelow.

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Quelle: WELT/Nicole Fuchs-Wiecha

„Europa und die USA brauchen möglichst viel Dialog mit Russland. Das gilt gerade jetzt nach der Aufkündigung des INF-Vertrags“, erklärte der Ministerpräsident von Brandenburg Dietmar Woidke (SPD) dieser Zeitung. „Wir sollten uns in die Augen sehen und reden. Es muss wieder eine Vertrauensbasis entstehen können. Mit Vorwürfen aufgerüstet, funktioniert das nicht“, mahnte er. „Es wäre gut, wenn Russland die Voraussetzung für eine Rückkehr zur G-7/G-8 schafft. Russland gehört dazu – auch in unserem Interesse.“ Entscheidend sei dafür ein sichtbarer Beginn bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff (CDU) wünscht sich ebenfalls eine Rückkehr Russlands auf die diplomatische Bühne. Die Teilnahme an den G-7-Gipfeln sei „eine originäre Zuständigkeit des Bundes. Dass Russland dauerhaft von wichtigen Treffen ausgeschlossen bleibt und mit Sanktionen belegt wird, erscheint mir allerdings wenig sinnvoll“, sagte Haseloff WELT AM SONNTAG.

Viele Konflikte nicht ohne Russland lösbar

Haseloff betonte, dass die Sanktionen „die ostdeutsche Wirtschaft und hier vor allem mittelständische Betriebe in besonderem Maße benachteiligen“. Sie hätten zudem nicht zu einer erkennbaren Verbesserung der Situation in der Ukraine geführt.

Eine Rückkehr Russlands in den Kreis der G-7-Staaten hält auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) für sinnvoll. „Nur im Gespräch auf Augenhöhe können wir Probleme und Differenzen klar benennen und verstehen – und in einem weiteren Schritt Moskau hoffentlich zu einer Rückkehr zum Völkerrecht bewegen.“ Viele Konflikte seien nicht ohne Russland zu lösen, ergänzt Kubickis Parteifreund, der Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai. „Daher sollte Russland im Rahmen eines 7+1-Formats wieder zum Gipfel eingeladen werden.“

All diesen Forderungen erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) eine klare Absage: „G-7 und G-8 hat etwas mit der Krim und der Ost-Ukraine zu tun, und so lange sich da nichts bewegt, wird sich auch in dieser Frage nichts bewegen.“

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Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern Sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: Welt am Sonntag

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