Gleichberechtigung: So sind sie halt, diese Frauen

Frauen sind nun einmal so, von Natur aus: Sie sind warmherzig und lächeln viel, sie können gut mit Menschen umgehen und gut zuhören. Sie wiegen Risiken besser ab und machen deshalb weniger Dummheiten. Andererseits quatschen sie ein bisschen viel und einparken können sie auch nicht.

Wer es nicht gemerkt hat: Das war Ironie. Kaum jemand würde solch plakative Klischees heute noch ohne Widerspruch stehen lassen. Doch Klischees gibt es noch immer. Und manchmal werden Männer, die sie äußern, sogar dafür gefeiert. Frauen seien „hartnäckig, detailorientiert und haben einen Sinn für das Ästhetische“, sagte Tadashi Yanai vor ein paar Tagen, der Chef des japanischen Klamottenimperiums Fast Retailing, zu dem auch Uniqlo gehört. Deshalb wünsche er sich eine Frau als seine Nachfolgerin. Er bekam Lob für diese Aussage, schließlich haben Frauen in Japans Wirtschaft bisher wenig zu melden. Eine Uniqlo-Chefin wäre ein Durchbruch.

Nahaufnahme Chefin gesucht

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Chefin gesucht

Anderswo normal, in Japan jedoch fast eine Revolution: Der Gründer der Textilkette Uniqlo wünscht sich eine Frau als Nachfolgerin an der Spitze.   Von Thomas Hahn


Yanai meinte es vermutlich gut, sowohl für sein Unternehmen, als auch für die Frauen an sich. Wirklich Gutes getan hat er damit aber nicht. Denn auch hinter positiven Stereotypen verbirgt sich ein Gruppendenken, das der Gleichberechtigung schadet. Ein Mann, der positive Klischees über Frauen äußert („Frauen sind fürsorglicher“), glaubt eher auch an negative Klischees („Frauen können nicht hart verhandeln“) als jemand, der überhaupt nicht in Stereotypen denkt. Auf ein positives Vorurteil folgt schließlich schnell ein negatives: Frauen sind besser im Umgang mit Menschen – und deshalb zwangsläufig schlechter im Umgang mit Zahlen.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, deshalb ist es ja auch wichtig, dass Teams gemischt sind und im Vorstand Frauen und Männer sitzen. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass 10 000 Frauen im Durchschnitt detailorientierter sind als 10 000 Männer. Aber über eine einzelne Frau, die vielleicht Uniqlo-Chefin wird, sagt das nichts aus. Aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe lassen sich keine Fähigkeiten eines Einzelnen ableiten – auch keine Unfähigkeiten.

Auch die Selbstwahrnehmung folgt dem Klischee

Das Dramatische ist, dass Klischees nicht nur einen Einfluss darauf haben, wie Menschen von anderen wahrgenommen werden, sondern auch, wie sie sich selbst sehen – und das gilt auch für positive Klischees. Eine Studie der Tel Aviv University hat vor Kurzem gezeigt, dass Frauen, die man zuvor daran erinnert hatte, dass Angehörige ihres Geschlechts per se mütterlicher und warmherziger seien, schlechter bei Mathetests abschnitten.

Interessant ist, dass viele Menschen keine Probleme damit haben, typische Eigenschaften von Männern und Frauen zu definieren, das Gleiche aber politisch inkorrekt finden, wenn es um Hautfarbe oder Sexualität geht. „Schwarze Menschen sind nun einmal so oder so“, würde kaum jemand sagen. Genauso wenig wie: „Schwule Männer sind so und so …“ Das liegt daran, dass Menschen hinter den Unterschieden zwischen Frauen und Männern biologische Fakten vermuten – auch wenn es für sie meist keine Beweise gibt.

Das menschliche Gehirn funktioniert so, Menschen tragen ihre Vorurteile mit sich herum, selbst wenn sie es nicht wollen. Zuerst denkt der Personalverantwortliche oder die Führungskraft vielleicht: Frau = detailorientiert. Dann aber muss er lernen, sich seiner eigenen Vorurteile bewusst zu werden und sich selbst infrage zu stellen. Es gibt Italiener, die nicht kochen können, Asiaten, die schlecht in Mathe sind, und Frauen, die keine großen Kommunikationstalente sind. Und das ist auch in Ordnung so.

Geschlechterklischees engen ein. Was macht eine Frau, die nicht detailorientiert ist, sondern in großen Maßstäben denkt, wie sich das für Chefs gehört, die keine Mikromanager sind? Weil es sie eigentlich nicht geben darf, wird sie sich vielleicht nicht trauen, ihre große Gedanken zu äußern. Geschlechterklischees beengen übrigens auch Männer, die nicht den alten Standards entsprechen, weil sie nicht rechnen, kickern oder einparken können. Unternehmen tut es gut, wenn sich die Menschen so entfalten können, wie sie sind – egal, ob es in das alte Weltbild passt. Wer wahre Diversität will, muss zulassen, dass Menschen anders sind als die Klischees – und dass die wirkliche Bereicherung in der individuellen Vielfalt liegt.

Männer und Frauen verdienen es, nach ihren jeweiligen Fähigkeiten bewertet und als Individuum ernst genommen zu werden. Man würde sich wünschen, dass Uniqlo einen Menschen sucht, der hartnäckig und detailorientiert ist und einen Sinn für Ästhetik hat – und dass dann Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, den Job zu bekommen.

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