Angela Merkel und Olaf Scholz haben die erste von zwei innenpolitischen Koalitionshürden genommen. Die erste war der Klimapakt. Bei ihm hat sich die Union in einer Kernfrage durchgesetzt: Die Verhaltenslenkung der Menschen soll hauptsächlich über marktwirtschaftliche Instrumente erfolgen, nicht vorwiegend über Steuern, wie es die SPD wollte.
Die CDU hat so unter anderem vermieden, dass ihr Wirtschaftsflügel lautstark aufbegehrt. Die SPD kann sagen, sie habe ihren Teil zum ehrgeizigsten Klimaprojekt seit Merkels Energiewende beigetragen und in manchen Fragen – wie dem Ausbau erneuerbarer Energien – die eigene Position zur Richtschnur gemacht.
Linkspartei und AfD sprechen der SPD beim Klimapakt dennoch den sozialen Anstand ab. Das kann für die Wahl in Thüringen am 27. Oktober Folgen haben, wo die SPD anfangen muss, um den Einzug in den Landtag zu bangen. Die GroKo wird deshalb die zweite Hürde möglichst rasch nehmen wollen.
Das ist die Grundrente. Bei dem Thema wird Olaf Scholz versuchen, einen klaren sozialdemokratischen Erfolg einzuheimsen – rechtzeitig zur Thüringenwahl, am besten aber noch während der Mitgliederbefragung zum SPD-Vorsitz. Die endet zwei Tage vor der Landtagswahl. Gelingt der GroKo im Oktober auch bei der Grundrente eine Einigung, tritt Scholz während des SPD-Referendums zweimal als ein Sozialdemokrat auf, der im Zentrum der Macht wirklich etwas bewegt.
Es liegt in Merkels Interesse, Scholz und der SPD diese Öffentlichkeitswirkung zuzugestehen. Nur so kann Merkel dazu beitragen, dass Scholz beim Mitgliederentscheid ein gutes Ergebnis bekommt. Nur so kann sie einigermaßen sicher sein, dass auf dem SPD-Parteitag im Dezember nicht von vornherein diejenigen in der Vorhand sind, die für den Ausstieg aus der Koalition plädieren.
Kommt die Grundrente bedingungslos (was die SPD will) oder nur mit einer Bedürftigkeitsprüfung (was die CDU will)? Die Union könnte hier auf die Sozialdemokraten zugehen, damit die AfD in dieser Frage nicht die soziale Karte spielt. Klar ist: Die GroKo braucht einen zweiten Konsenserfolg. Sie braucht ihn wegen Thüringen, und sie braucht ihn wegen des SPD-Parteitags. Käme ein Durchbruch bei der EU-Flüchtlingspolitik hinzu — auf ihn arbeitet Ursula von der Leyen energisch hin —, wäre die GroKo nicht mehr nur das Sinnbild für Stillstand.
Reicht das, um die Koalition bis 2021 zu stabilisieren? Eine Automatik gibt es in der Politik nicht. Ohne weitere gemeinsame Vorhaben kann die Stimmung aufkommen: Das war’s, nun ist es gut.
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