Wieder „Krieg“ um die Venusmuschel

Bei dem Schlagabtausch geht es um eine EU-Richtlinie, die eine Mindestgröße von 25 Millimetern für Venusmuscheln vorschreibt – lediglich für die Adria gab es eine von Italien erkämpfte Ausnahme, wie die Wirtschaftszeitung „Ilsole24ore“ erinnert. Der Hintergrund: Die in der oberen Adria heimische Gemeine Venusmuschel (Chamelea gallina) hätte in den vergangenen Jahren vielfach nicht mehr geerntet werden dürfen, da sie nicht mehr ausreichend wuchs.

Das geringere Wachstum, als dessen Ursache ein gesunkener Salzgehalt in der Adria in den Jahren 2013 und 2014 vermutet wird, brachte bereits damals die italienischen Muschelfischer gegen die EU-Vorschriften auf die Barrikaden. Wegen ein paar Millimetern würde man in der Oberen Adria keine „legale Muschel“ mehr finden, wie etwa die Zeitung „La Repubblica“ damals schrieb.

Daran hat sich offenbar bis heute wenig geändert, weswegen man auf italienischer Seite auf eine Verlängerung der damals mit der EU ausverhandelten und in diesem Jahr auslaufenden Ausnahmeregelung setzt. Es gibt allerdings Widerstand, und dieser hat zur Folge, dass nun erneut von einer „Guerra delle vongole“ („Krieg der Venusmuscheln“) die Rede ist.

Spanien gegen Verlängerung

Erklärte Gegner sind diesmal nicht mehr die 2015 von italienischen Medien als regulierungswütig kritisierte „EU und ihre Bürokraten“, sondern spanische EU-Abgeordnete, die sich gegen eine Verlängerung der Ausnahmeregelung aussprechen und die Causa ins Europäische Parlament brachten.

Italienischer Muschelfischer

Reuters/Antonio Parrinello
Italien ist neben Spanien und Frankreich eine der Muschelhochburgen Europas

Europas Muschelhochburgen

Drei Länder sind nach Angaben der UNO-Ernährungsorganisation (FAO) für zwei Drittel der europäischen Muschelproduktion verantwortlich. Spanien ist mit über 200.000 Tonnen pro Jahr der größte Erzeuger, gefolgt von Frankreich mit 80.000 Tonnen und Italien mit 65.000 Tonnen.

Nach Angaben des Fischereiverbandes Fedagripesca müssen nun erneut hunderte von der Muschelfischerei abhängige Familien um ihre Existenz bangen. Betroffen seien vor allem die Regionen Friaul-Julisch Venetien, Venetien und Emilia-Romagna, an deren Küsten rund 50 Prozent von Italiens Gemeinen Venusmuscheln aus dem Wasser geholt werden. Allein in Rimini und Ravenna seien es 54 Boote mit mehr als 120 Fischern, wie Vadis Paesanti von Fedagripesca Emilia-Romagna nach Angaben des Genossenschaftsverbands Italia Cooperativa sagte.

Laut Paesanti habe die 2016 von der EU gewährte, seit 2017 in Kraft befindliche und nun auslaufende Ausnahmeregelung ermöglicht, Muscheln mit einer Mindestgröße von 22 Millimetern zu fischen und zu vermarkten. Daran hätte sich auch 2020 nichts ändern sollen, nachdem die EU-Kommission im Rahmen einer Analyse keine negativen Auswirkungen auf die Muschelpopulation festgestellt und bereits eine Verlängerung der Bestimmung empfohlen habe. Nun hänge alles an Spanien, so Paesanti, der Gespräche zwischen Rom und Madrid forderte.

Spaghetti Vongole

Getty Images/Burcu Atalay Tankut

Weihnachten ohne Spaghetti alle vongole?

Angesichts eines im EU-Parlament beantragten zweimonatigen Moratoriums stehen die Zeichen im „Muschelkrieg“ laut „Sole24ore“ zwar auf Waffenstillstand. Ob damit auch heuer die in Italien am Heiligen Abend und zu Silvester besonders beliebten Spaghetti alle vongole mit Muscheln aus der Adria serviert werden, ist dennoch fraglich.

Grund dafür seien allerdings nicht EU-Regeln, sondern Wetterturbulenzen, so der Präsident des Venusmuschelkonsortiums COGEVO der nahe Venedig gelegenen Küstenstadt Chioggia, Michele Boscolo Marchi. Im November seien etliche Muschelbänke an den Strand gespült und damit „die Arbeit von Monaten in wenigen Tagen zerstört“ worden.

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