Wiesinger legt Abschlussbericht vor

In ihrem 135-seitigen Bericht, der auf der Website des Bildungsministeriums abrufbar ist, zitiert Wiesinger aus zahlreichen nationalen und internationalen Studien und führt Beispiele aus ihren persönlichen Gesprächen mit Betroffenen während ihrer rund einjährigen Tätigkeit an.

Im Mittelpunkt stehen dabei aufgrund ihrer Funktion als Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte Begebenheiten und Schilderungen von Problemen mit muslimischen Schülern und Schülerinnen sowie mit deren Eltern.

Heinz Faßmann und Susanne Wiesinger

APA/Helmut Fohringer
Im Dezember 2018 wurde Wiesinger von Bildungsminister Faßmann als Ombudsfrau präsentiert

Vor eineinhalb Jahren hatte Wiesinger mit ihrem Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer – Wie der Islam die Schulen verändert“ für Aufsehen gesorgt. Unter der ÖVP-FPÖ-Regierung wurde die Wiener Pädagogin zur Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte im Bildungsressort ernannt.

Schulleiter wollen mehr Autonomie

Die Palette der Beschwerden reicht dabei von verweigertem Schwimmunterricht über mangelnden Respekt gegenüber Lehrerinnen, erschöpften Schülern während des Fastenmonats Ramadan bis zu Genitalverstümmelungen, Zwangsverheiratungen und Indoktrination mit extremistischem Gedankengut während der Sommerferien.

Den Problemaufrissen folgen jeweils Anregungen. Dazu zählt etwa das Anliegen von Schulleiterinnen und -leitern sowie Lehrerinnen und Lehrern nach verstärkter Kontrolle der Unterlagen und Bücher für den islamischen Religionsunterricht. Auch was das Personal betrifft, sei von den Verantwortlichen mehrfach der Wunsch nach mehr Autonomie geäußert worden.

Bessere Durchmischung

In ihrem Bericht regt Wiesinger auch eine bessere Durchmischung der Schüler und Schülerinnen an – so soll der Entstehung von Brennpunktschulen entgegengewirkt werden. So heißt es in dem Bericht: „Um u. a. die Integration und Deutschkenntnisse der Schüler und Schülerinnen zu verbessern, sollte versucht werden, in jenen Bereichen, wo dies noch möglich ist, durch gezielte Lenkung der Schülerströme auf eine möglichst heterogene Schülerzusammensetzung zu achten (sprachlich, sozial, kulturell, religiös etc.).“

Deutschklassen werden laut dem Bericht Wiesingers von den Schulen nicht generell negativ bewertet. Die Ausgestaltung mit zu großen Gruppen bei zu wenig Personal behindere aber den Erfolg.

Ethikunterricht wird begrüßt

Der zuletzt viel diskutierte Ethikunterricht für jene Schüler, die sich von Religion abgemeldet haben bzw. für Konfessionslose, wird laut dem Bericht von vielen Pädagogen begrüßt. Allerdings sei „mehrfach der Wunsch nach einer organisatorischen Erleichterung geäußert worden, wie z. B. den Religionsunterricht am Nachmittag stattfinden zu lassen“.

Was angebliche Integrationsprobleme bei Geflüchteten betrifft, sieht Wiesinger größere Herausforderungen bei Kindern der zweiten und dritten Generation als bei Kindern der ersten. „Einige Gesprächspartner vermuteten den Grund darin, dass es uns als Gesellschaft in der Vergangenheit nicht ausreichend gelungen sei, die Normen und Werte, die uns als Gesellschaft wichtig sind, von Beginn an allen Migrantinnen und Migranten zu vermitteln“, schreibt Wiesinger. Umso wichtiger wäre es, diese Fehler nicht mehr zu wiederholen. Bei der Integration von Flüchtlingen habe das zu einem Großteil bereits deutlich besser funktioniert.

Faßmann: „Kritik von Susanne Wiesinger wertvoll“

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann sieht inhaltlich große Teile der Kritik der Lehrerin als „wertvoll“ an.

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann bezeichnete Wiesingers Tätigkeitsbericht als „unvollständig“, fehlten darin doch noch ein „Executive Summary“ und eine Antwort auf die Frage, wie die aufgezeigten Probleme gelöst werden könnten.

„Müssen ins Handeln kommen“

„Wir müssen vom Aufzeigen von Problemen auch ins Handeln kommen“, es fehlten im Bericht noch politisch relevante Empfehlungen, so Faßmann. Dieses „Handeln“ hätte er gerne mit Wiesinger umgesetzt, dazu werde es aber nun nicht mehr kommen, sagte der Ressortchef.

Zu Wiesingers persönlicher Zukunft verwies Faßmann lediglich darauf, dass die Lehrerin nach wie vor formell Landesbeamtin in Wien sei. „Das ist sie auch weiterhin.“ Dienstrechtliche Konsequenzen werde es nicht geben.

Aufregung über Buchveröffentlichung

Ebenfalls am Montag veröffentlichte Wiesinger auch ihr Buch „Machtkampf im Ministerium. Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört“. Die Publikation hatte schon im Vorfeld für Aufregung gesorgt. Vor allem Faßmann zeigte sich über die Vorgehensweise Wiesingers irritiert. Er sei „gleich mit einem fertigen Buch“ konfrontiert worden – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Wiesinger sieht kein illoyales Vorgehen

Wiesinger verteidigte am Montag ihre Buchveröffentlichung. Sie könne zwar nachvollziehen, dass man die Veröffentlichung des Buches im Bildungsressort als Vertrauensbruch empfindet, so Wiesinger im Ö1-Morgenjournal. Als illoyal empfinde sie ihr Vorgehen dennoch nicht. Immerhin habe sie den Abschlussbericht ihrer Arbeit als Ombudsfrau, in dem sie die Ergebnisse ihres Austauschs mit „sicherlich 1.100 Leuten“ festhält, bereits im Dezember der damaligen Ministerin Iris Rauskala vorgelegt.

Wiesinger über Missstände im Schulsystem

Wiesinger berichtete unter anderem über Finanzierungsstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern und forderte Leistungsdifferenzierungen bei Schülern. Die Neue Mittelschule sei zur „Restschule“ verkommen.

Den Weg der Buchveröffentlichung habe sie aufgrund der „Message-Control“ des Kabinetts – der ihrem Empfinden nach „einflussreichsten Macht“ in einem Ministerium – wählen müssen: „Ich wollte meine Tätigkeit als Ombudsfrau ganz erfüllen und ich wusste, dass man das verhindert hätte“, so Wiesinger in der ZIB2 am Sonntag. Als Beispiel für Inhalte, die sonst gefährdet gewesen wären, nannte sie Kritik von Praktikern an den umstrittenen, von der ÖVP eingeführten Deutschförderklassen. Wegen des aktuellen Lehrermangels müsse man schon froh sein, wenn man überhaupt jemanden finde, der in eine solche Klasse geht. Die Schulen seien außerdem mit ihren davor autonom entwickelten Modellen besser gefahren.

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