„Ja, der Feind steht rechts“, sagt Armin Laschet

Wie spricht man über den Terror? Wie diskutiert man nach einer Tat wie der in Hanau, bei der ein Rechtsextremer aus rassistischen Motiven brutal tötete? Mit Respekt füreinander, trotz unterschiedlicher Meinungen und Einschätzungen. Und in einer Sprache, die die Probleme nicht klein redet, die nicht bagatellisiert. Bei einem „Maybrit Illner Spezial“, am Abend nach dem verheerenden Anschlag in Hanau, ist das im Großen und Ganzen gelungen.

Mit Armin Laschet, dem christdemokratischen Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen, der Grünen Claudia Roth und Janine Wissler, der Fraktionsvorsitzenden der Linken im hessischen Landtag, waren drei Gäste aus dem Politikbetrieb eingeladen. Außerdem dabei: Matthias Quent, Rechtsextremismusforscher und Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, das von der Amadeu Antonio Stiftung getragen wird, und Kübra Gümüşay, eine deutschtürkische Bloggerin und Journalistin.

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Zu Gast bei „maybrit illner“ (v.l.n.r.): Kübra Gümüsay, Armin Laschet, Maybrit Illner, Claudia Roth, Matthias Quent, Janine Wissler
Quelle: ZDF/Claudius Pflug

Die Einzeltäter-These

Was wissen wir über Tobias R., den mutmaßlichen Täter von Hanau, der in zwei, bevorzugt von Menschen mit Migrationshintergrund besuchten Bars mordete, bevor er schließlich seine Mutter und sich selbst tötete? Im Laufe des Tages nach der Tatnacht wurden immer mehr Details über den Mann bekannt. Psychisch gestört, Anhänger von Verschwörungstheorien, zutiefst völkisch und rassistisch argumentierend, ein Einzeltäter: Dieses Bild setzte sich – auch wenn noch viele Fragen offen sind – nach und nach zusammen.

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Terrorverdacht

Der Extremismusforscher Matthias Quent kritisierte die Einschätzung, Tobias R. sei ein Einzeltäter gewesen, jedoch grundsätzlich. „Der Begriff des Einzeltäters ist nie zutreffend“, sagte er. Denn auch wenn rechtsextreme Täter am Ende allein agieren, kommen sie doch nie ohne Resonanzboden aus. „Eine isolierte Radikalisierung gibt es nicht“, erklärte Quent. Und extreme Vernichtungsfantasien, wie sie der Hanauer Täter geäußert hatte, seien in den digitalen Chatrooms auch keine Seltenheit. Im Netz gäbe es „Kanäle, da tummeln sich Tausende“ mit vergleichbaren Ansichten.

Die rassistische Norm

War mit einer Tat wie dem nun erfolgten Anschlag zu rechnen? „Leider ja“, sagte Kübra Gümüşay. Die Bloggerin bemängelte, dass viele Jahre zu wenig getan wurde, um die Rechtsextremisten auszubremsen. Als Beispiel nannte sie den Umgang mit den NSU-Morden. „Die Kanzlerin hat lückenlose Aufklärung versprochen, das aber hat sie nicht eingelöst“, beklagte sich Gümüşay. Dass die Netzwerke des Terrortrios nicht richtig ausgeleuchtet wurden, meinte auch die Linke Janine Wissler – so sei „Behördenversagen vertuscht“ worden.

Gümüşay sagte, dass es sie ärgere, wenn rechte Terroristen immer wieder als „abtrünnig“ dargestellt werden. In ihren Augen stehen sie nämlich lange nicht so abseits, wie es behauptet wird. „Diese Täter kommen nicht aus dem Nichts“, sagte sie. Und: „Rassismus ist in Deutschland die Norm.“

Ihr hartes Urteil machte Gümüşay vor allem an der Sprache fest. Etwa an einem Begriff wie „Flüchtlingswelle“. „Wir haben die Menschen zu einer Naturkatastrophe degradiert“, sagte sie.

Armin Laschet wollte der Journalistin in dieser resoluten Sichtweise zwar nicht folgen, er gestand aber ein, dass sie wichtige Probleme und Missverständnisse beschreibe. Und er machte klar, dass die Gesellschaft derzeit von nichts mehr bedroht sei als vom Rechtsterrorismus. „Ja, der Feind steht rechts“, sagte Laschet – in Anspielung auf den berühmten Satz des Reichskanzlers Joseph Wirth, der damit auf die Ermordung Walther Rathenaus reagierte. 

Die Verantwortung der AfD

Das Kürzel AfD wurde nur selten in der Sendung ausgesprochen, doch um die Partei drehte es sich häufig. Ihr Name musste gar nicht genannt werden, um zu verstehen, wen die Diskutierenden so harsch kritisierten.

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Claudia Roth warf der Partei eine Verrohung des Diskurses vor. Sie erinnerte an einige der verbalen Ausfälle von AfD-Mitgliedern, an den „entarteten Doppelpass“, von dem Gottfried Curio gesprochen hatte, oder an die Äußerung von Alexander Gauland, der Aydan Özoguz, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, in Anatolien „entsorgen“ wollte.  

Trägt die AfD eine Mitschuld an dem Anstieg rechtsextremer Gewalt? Welche Verantwortung hat sie? Armin Laschet warf ihr Hetze vor. Mit einer Erzählung wie der, dass die Kanzlerin Angela Merkel eine „Umvolkung“ vorantreibe, würde Hass geschürt – „und dann kommt irgendjemand und setzt das in eine Tat um.“

Was ist zu tun?

Was also muss nun auf den Anschlag folgen? Allzu häufig wurde die Frage, was denn zu tun sei, damit sich solch eine Tat nicht wiederholt, in den vergangenen Jahren schon gestellt. Die Serie der rechtsterroristischen Angriffe riss trotzdem nicht ab.

Etwas hilflos wirkte es deshalb, als Armin Laschet forderte, die „Sensibilität“ in den Sicherheitsdiensten müsse „steigen“. Polizei und Verfassungsschutz müssten in den rechten Netzwerken aktiver sein, die Kräfte verstärkt werden. Das jedoch wird seit langem schon gepredigt.

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Eine „Taskforce Rechtsextremismus“ forderte Claudia Roth – und dass endlich das Waffenrecht verschärft werde. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin bemängelte auch, dass es im Bereich Rechtsextremismus ein „Vollzugsdefizit“ geben würde. Etwa 500 Haftbefehle gegen rechte Gewalttäter könnten nicht vollstreckt werden, weil es an Beamten mangelt, die die Gesuchten aufspüren könnten.

Vor allem ihr merkte man an, dass die Hanauer Tat ihr zugesetzt hatte. Roths Stimme klang oft brüchig, während sie sprach. Und sie formulierte das, worauf nach dem Anschlag von Tobias R. wohl die allermeisten hoffen: „Ich will in einem Land leben, in dem die Menschen keine Angst haben.“

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