Alles auf Elektro – und der nächste Tiefschlag für die deutschen Autobauer

Die Bundesregierung hat dem Lobbydruck der Automobilwirtschaft und der „Autoländer“ wie Niedersachsen und Baden-Württemberg nicht nachgegeben. Sie öffnet nicht das Füllhorn für die gesamte Breite der Automobilwirtschaft, sondern fördert im Rahmen des Konjunkturpaketes vor allem die rein batterieelektrischen Fahrzeuge.

Bemerkenswert ist das auch deshalb, weil die deutschen Hersteller bislang kaum rein entsprechende Angebote im Programm haben. An der Börse war die Enttäuschung groß: Die Daimler-Aktie gab am Vormittag um rund fünf Prozent nach, Volkswagen um mehr als zwei und BMW um mehr als ein Prozent.

Die Regierung stellt das volkswirtschaftliche Ziel, eine schnellere und breitere Elektrifizierung des Autoverkehrs zu erreichen, damit über die kurzfristigen Bedürfnisse der Autobranche. Und sie will die Nutzung abgasarmer Fahrzeuge noch stärker als bislang unterstützen, etwa durch eine Überarbeitung der Kfz-Steuer nach dem Kriterium des Kohlendioxid-Ausstoßes.

Indirekt gefördert wird der Autokauf durch die Mehrwertsteuersenkung

Die Kaufprämie des Bundes für rein batterieelektrische Fahrzeuge bis zu einem Neupreis von 40.000 Euro wird von 3000 auf 6000 Euro verdoppelt. Hinzu kommen gemäß früherer Absprachen zwischen der Regierung und den Unternehmen für solche Autos weiterhin bis zu 3000 Euro Prämie der Hersteller – für ein Mittelklassefahrzeug also maximal 9000 Euro. Indirekt gefördert wird der Autokauf in aller Breite zusätzlich durch die befristete Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent.

Die Kaufprämien werden – befristet bis Ende 2021 – mit bis zu 2,2 Milliarden Euro gefördert. Hinzu kommen zwei Milliarden Euro an Subventionen für die Automobilindustrie zur Förderung neuer Technologien, neben den Antrieben betrifft das vor allem die Digitalisierung der Fahrzeuge. Zudem will die Regierung 2,5 Milliarden Euro einsetzen, um die Lade-Infrastruktur für batterieelektrische Fahrzeuge zu verbessern und die Position der deutschen Industrie bei der Batterie- und Zellfertigung zu stärken.

„Insbesondere soll das einheitliche Bezahlsystem für Ladesäulen nun zügig umgesetzt werden“, heißt es in dem Koalitionspapier. „Durch eine Versorgungsauflage soll geregelt werden, dass an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden.“

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Interessant ist dabei auch, dass der Abstand bei der Förderung zwischen Fahrzeugen mit Hybridantrieben und solchen mit rein batterieelektrischen Antrieben größer wird, als er bislang war. Die deutschen Hersteller haben inzwischen viele dieser Autos mit einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor im Programm. Die Grenzwerte für Kohlendioxid (CO2) sind bei Hybridfahrzeugen deutlich geringer angesetzt als bei reinen Verbrennern. Doch niemand kann beeinflussen, in welchem Modus Autos mit Hybridantrieben tatsächlich gefahren werden.

Eine Fachstudie kam vor einiger Zeit zu dem Ergebnis, dass das Ladekabel bei etlichen Leasing-Dienstfahrzeugen mit Plug-in-Hybridantrieb selbst nach Zehntausenden Kilometern nicht ein einziges Mal benutzt worden war. Die Regierung will dieses Problem angehen: „Im Rahmen der nationalen Plattform ,Mobilität der Zukunft’ werden wir die Frage des optimierten Nutzungsgrades des elektrischen Antriebs bei Plug-in-Hybridfahrzeugen diskutieren“, heißt es im Koalitionspapier.

Die Entscheidungen der Koalition zur Automobilität zielen weniger auf kurzfristige Effekte zur Stützung von Unternehmen und Arbeitsplätzen ab. Gefördert wird vor allem ein schnelleres Umsteuern auf die reine E-Mobilität. Wie zu erwarten war, passt dies der Automobilbranche nicht: „Damit wurde der krisengeschüttelten Automobilwirtschaft mit ihren 1,3 Millionen Beschäftigten ein Bärendienst erwiesen“, sagte Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK).

„Größte Steuersenkung der letzten Jahre“

Für CSU-Chef Markus Söder ist das Corona-Konjunkturpaket, auf das sich Union und SPD geeinigt haben, „mutig, aber nicht tollkühn“. Die Koalitionsparteien hätten sich nicht „ideologisch verhakt“ sondern „eher politisch ergänzt“.

Quelle: WELT

Seine Kritik verdeutlicht aber auch, worum es der Branche im wochenlangen Ringen mit der Regierung vor allem ging – große Bestände von Neuwagen bei den Autohändlern abzubauen, die schon vor der Corona-Pandemie schwer verkäuflich waren.

Durch die Seuche und den Stillstand des Autohandels vor allem im April ist der Handlungsdruck auf die Branche weiter gewachsen. Die Hersteller und Händler allerdings hielten sich seit dem Neustart des stationären Autohandels Anfang Mai mit Prämien und Nachlässen weitgehend zurück, weil sie auf eine breite staatliche Unterstützung hofften.

Die Fokussierung auf rein batterieelektrische Fahrzeuge sei „nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der auf den Höfen und in den Büchern der Automobilhändler stehenden unverkauften Neuwagen mit modernsten Verbrennungsmotoren im Wert von rund 15 Milliarden Euro“, heißt es in der Stellungnahme des ZDK. Die auf sechs Monate befristete allgemeine Mehrwertsteuerabsenkung von 19 auf 16 Prozent könne dies „nicht annähernd kompensieren“.

Der Automobilmarktexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) sieht die Entscheidungen positiver: „Bei der Elektromobilität sind die 6000 Euro für die rein batteriegetriebenen Autos ein sehr kräftiger Impuls, auch wenn sie eben nur einen kleinen Teilmarkt von vermutlich fünf oder zehn Prozent des Gesamtmarktes anschieben“, sagte er WELT.

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Historisches Konjunkturpaket

„Mal sehen, inwieweit die Autobauer ihre heutigen Zuschüsse zu den Elektroautoprämien zurückfahren. Das würde ich nicht ausschließen. Also muss nicht alles beim Kunden ankommen“, so Dudenhöffer weiter. Die Mehrwertsteuersenkung um drei Prozent sei „eine gute Sache, die den deutschen Autobauern genauso wie den Importeuren nützt“.

Die Mobilitätsexpertin Ellen Enkel von der Universität Duisburg-Essen kritisiert die Entscheidung, ausschließlich reine Elektroautos stärker zu fördern: „Davon profitieren in erster Linie ausländische Hersteller und nicht die deutsche Wirtschaft“, sagte sie WELT.

„Nur etwa ein Viertel der förderfähigen E-Autos sind deutsche Modelle“, so Enkel weiter. „Es geht hier nicht um Marktabschottung. Aber die Förderprämien sind ein Beitrag des deutschen Steuerzahlers zur Stützung der heimischen Wirtschaft. Die anderen europäischen Länder haben bereits eigene Programme zur Förderung ihrer Industrie.“

Enkel bemängelte zudem, dass die Privatkunden nur in geringem Umfang von den erhöhten Prämien profitierten. „Zwei Drittel aller E-Auto-Neuzulassungen entfallen auf Unternehmen. Nur ein Drittel der Elektroautos werden von Privatpersonen gekauft“, sagte sie. „Viele Privatpersonen werden weiterhin Verbrenner fahren.“

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