Die schrecklich dysfunktionale Familie Trump

Seit Donald Trump auf der politischen Bühne Amerikas aufgetaucht ist, ist er ein bevorzugtes Studienobjekt für Hobby- und professionelle Psychologen. Alle versuchen, seine seltsame Persönlichkeit zu erklären.

Sein demonstrativer Narzissmus, seine ständigen Lügen genauso wie sein Mangel an Einfühlungsvermögen sind so auffällig, dass sie Deutungsversuche geradezu herausfordern. Nun bietet Trumps Nichte Mary Trump in dem ersten Enthüllungsbuch aus dem Innern der Familie eine Erklärung an für die psychologischen Merkwürdigkeiten dieses Präsidenten: Trumps manipulativer und kaltherziger Vater Fred sei schuld – und die dysfunktionalen Familienbeziehungen, die der 1999 verstorbene Patriarch des Trump-Clans geschaffen habe.

In ihrem Buch „Too Much And Never Enough: How My Family Created The World’s Most Dangerous Man” („Zu viel und niemals genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf”) beschreibt Mary Trump den Immobilienmogul Fred Trump als tyrannischen Soziopathen.

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19.06.2020, USA, Tulsa: Ein Styropor-Kopf trägt einen Mundschutz mit der Aufschrift «Trump 2020», während Unterstützer von US-Präsident Trump vor einer Arena auf dem Bürgersteig stehen. Trotz der anhaltenden Corona-Krise tritt Trump am Samstagabend erstmals wieder bei einer Massenkundgebung in der Arena auf. Foto: Tyler Tomasello/ZUMA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Corona in den USA

„Von Anfang an hat Freds Eigeninteresse seine Prioritäten verzerrt“, schreibt Mary über ihren Großvater. „Die Art, wie er mit seinen Kindern umging, hatte tatsächlich mit seinen eigenen Bedürfnissen zu tun, nicht ihren. Liebe bedeutete ihm nichts, und er konnte keine Empathie aufbringen für ihre Nöte. Das ist eine der charakteristischen Eigenschaften eines Soziopathen; er verlangte Gehorsam, nur darum ging es.“

Das Buch über das Innenleben der Trump-Familie sollte eigentlich im August erscheinen, der Publikationstermin wurde vom Verlag „wegen der großen Nachfrage und des außergewöhnlichen öffentlichen Interesses“ jedoch auf den 14. Juli vorverlegt. Zentrale Zitate werden nun aber schon über mehrere US-Medien verbreitet, denen das Buch vorab vorlag.

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Mary ist die Tochter von Donald Trumps älterem Bruder Fred junior, der im Alter von 42 Jahren an den Folgen eines Herzfehlers und Alkoholismus verstarb. Und sie bringt gleich eine doppelte Qualifikation mit für ihre Analyse der Trump-Familie. Sie ist einerseits ausgebildete klinische Psychologin. Aber anders als viele Ferndiagnostiker verfügt sie über intime Kenntnisse aus dem Innern des Trump-Clans.

Fred sr. habe gewollt, dass sein ältester Sohn – Fred junior – „ein Killer“ sein solle, und habe deshalb für eine Rivalität zwischen Fred jr. und Donald gesorgt, die über Jahrzehnte hinweg angehalten habe – bis zum Tod von Fred jr., der den ultimativen Sieg von Donald in der Familienhierarchie bedeutete. „Die Konflikt-Atmosphäre, die mein Großvater in der Trump-Familie geschaffen hatte, war das Wasser, in dem Donald sich immer wohlgefühlt hat“, schreibt Mary. „Und diese Atmosphäre der Spaltung nützt ihm bis heute – auf Kosten aller anderen.“

Fred habe seinen Sohn „zerstört“

Was Mary beschreibt, ist ein langer Prozess innerfamiliärer Brutalisierung, die am Ende jenen Mann erschaffen habe, der heute Präsident der Vereinigten Staaten ist. Donald habe versucht, mit der Brutalität und den unbarmherzigen Ansprüchen seines Vaters umzugehen, indem er „mächtige, aber primitive Verteidigungsmechanismen“ entwickelt habe, die „durch zunehmende Feindschaft gegenüber anderen geprägt waren und eine scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber der Abwesenheit seiner Mutter und der Vernachlässigung durch den Vater“.

Ihr „Onkel Donald“ habe gelernt, so zu tun, als habe er keine emotionalen Bedürfnisse, und habe diese ersetzt „durch vielfältigen Groll und Verhaltensmuster wie Mobbing, Respektlosigkeit, Aggressivität“, die im Laufe der Zeit immer problematischer geworden seien und zu einem Merkmal seiner Persönlichkeit wurden.

HANDOUT - 06.07.2020, ---: KOMBO - Diese von Simon & Schuster zur Verfügung gestellte Bildkombo zeigt das Titelbild des Enthüllungsbuches «Too Much and Never Enough: How My Family Created the World's Most Dangerous Man» («Zu viel und nie genug - Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt geschaffen hat») und ein Porträt der Autorin Mary L. Trump. Das Enthüllungsbuch der Nichte von US-Präsident Trump soll bereits in der kommenden Woche erscheinen - zwei Wochen früher als geplant. Foto: Uncredited/Simon & Schuster/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über die Berichterstattung über das Buch «Too Much and Never Enough: How My Family Created the World's Most Dangerous Man» und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits. Achtung, Nur bis zum 20.07.2020 verwendbar! +++ dpa-Bildfunk +++

Die vom Verlag Simon & Schuster zur Verfügung gestellte Bildkombo zeigt das Titelbild des Enthüllungsbuches
Quelle: dpa

Fred habe seinen Sohn „zerstört“, indem er seine „Fähigkeit unterbunden hat, das ganze Spektrum menschlicher Emotionen zu entwickeln und zu empfinden“. Fred habe „die Weltwahrnehmung seines Sohnes pervertiert und seine Fähigkeit beschädigt, darin zu leben.“

Verschiedene (inoffizielle) Biografien waren schon früher zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen wie Trumps Nichte und sahen die übermächtige, kaltherzige Vaterfigur von Fred sr. als Ursache für Donalds psychologische Auffälligkeiten. Das ständige Lechzen nach Bestätigung und Trumps Hang zur überbordenden Prahlerei erwachse letztlich aus dem Bedürfnis des Kindes Donald nach Anerkennung durch den Vater.

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„Seine tief sitzenden Unsicherheiten haben ein Schwarzes Loch in ihm geschaffen, das ständig des Lichts von Komplimenten bedarf, die dann aber sofort verschwinden, wenn sie von dem Schwarzen Loch aufgesogen werden“, schreibt die 55-jährige Psychologin.

Diese Analyse deckt sich mit Beobachtungen etwa von Tony Schwartz, Ghostwriter von Trumps Erfolgsbuch „The Art Of The Deal“. Im Wahlkampf 2016 hat Schwartz in einem ausführlichen Porträt im „New Yorker“ erzählt, wie er Trump in den 80ern monatelang begleitete, um für das Buch zu recherchieren, und wie er vergeblich versucht hatte, den „wahren“ Trump hinter der Fassade zu entdecken. Bis er dann zu der ernüchternden Erkenntnis kam, dass es wohl keinen echten Trump hinter der Fassade gibt. „Er ist ein lebendes Schwarzes Loch“, habe er damals seiner Frau gesagt, so Schwartz.

Das Weiße Haus bestreitet die Inhalte

Mary Trump gibt auch Einblicke in die Zerstrittenheit der Trump-Familie. Sie beschwert sich darüber, dass ihr Vater Fred jr. keine Unterstützung seiner Geschwister bekam, als er vor seinem Tod schwer krank im Krankenhaus lag, und sie macht letztlich die Demütigungen des Patriarchen Fred und die ständigen Sticheleien seines Bruders Donald für die psychologischen Probleme ihres Vaters Fred jr. verantwortlich.

Mary Trump beschuldigt zudem ihren Onkel Donald, die Alzheimerkrankheit des Patriarchen Fred sr. ausgenutzt zu haben, um das Testament des Immobilienmoguls zu seinen Gunsten zu ändern.

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Der Rechtsstreit über das Erbe führte am Ende zu einer gütlichen Einigung und einer Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen allen Seiten. Ein weiterer Onkel Marys und Bruder Donalds, Robert Trump, hatte deshalb im Vorfeld versucht, die Veröffentlichung des Buches zu verhindern, in dem jede Menge schmutzige Wäsche der Familie gewaschen wird. Er war damit jedoch vor Gericht gescheitert. Mary Trump hatte argumentiert, die Vertraulichkeitsvereinbarung sei hinfällig, weil die Vermögensschätzungen, die Grundlage der gütlichen Einigung über Freds Erbe waren, gefälscht gewesen seien.

Das Weiße Haus hat Inhalte des Buches bestritten und wirft der Autorin vor, nur Kasse machen zu wollen. So sei etwa sei die Behauptung nicht wahr, Trump habe beim SAT-Eingangstest für die Universität betrogen. Es ist jedenfalls nicht das erste Mal, dass Mary Trump versucht, am Mythos Trump zu kratzen.

So outet sie sich in dem Buch als eine der Quellen eines aufsehenerregenden Investigativberichts der „New York Times“ im Jahr 2018, in dem nachgewiesen wurde, dass Donald Trump keinesfalls der erfolgreiche Selfmademan war, als der er sich immer dargestellt hatte. Sondern dass er als Unternehmer auf ständige, vor dem Finanzamt verschleierte Finanzspritzen seines Vaters angewiesen war, um nicht bankrottzugehen.

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Mary scheint aber auch nicht die Einzige im Trump-Clan zu sein, die ein negatives Bild von Donald hat. So zitiert sie Trumps Schwester, die ehemalige Bundesrichterin Maryanne Trump Barry. Die habe sich im Familienkreis etwa darüber mokiert, dass Trump im Wahlkampf 2016 zum Held der Evangelikalen geworden war.

„Die einzigen Male, die Donald in die Kirche gegangen ist, war, als die Kameras da waren“, wird sie im Buch zitiert. „Das ist unfassbar. Er hat keine Prinzipien. Keine!“ Über die Präsidentschaftskandidatur ihres Bruders habe Maryanne 2016 gesagt: „Er ist ein Clown – das wird nie passieren.“ Bekanntermaßen kam es dann jedoch anders, als Trumps Schwester vorausgesagt hatte.

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