Lange lebten die saudischen Könige in Reichtum. Ihre Verschwendungsucht und die Ölkrise zwingen sie zum Umdenken. Die Herrscher des Wüstenstaates müssen sich ihre Milliarden jetzt im Westen leihen.
Er hatte gerade den Staatshaushalt gekürzt, Gehälter reduziert und Subventionen gestrichen, aber als er vom Strand aus diese Yacht sah, konnte er nicht widerstehen. Im vergangenen Jahr, während eines Urlaubs in Südfrankreich, entdeckte Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman die 130 Meter lange „Serene“. Die gehörte dem russischen Wodka-Tycoon Yuri Shefler – bis bin Salman ihm spontan eine halbe Milliarde Dollar bot. Binnen Stunden, heißt es, sei der Deal abgewickelt worden.
Dem Volk diktiert der Prinz Sparsamkeit, seit der Ölpreis vor zwei Jahren zu sinken begann, während er selbst im Luxus lebt, als sei nichts geschehen. Als müsse nicht auch Saudi-Arabien längst auf sein Geld achten, als gehe die Ära des sagenhaften Reichtums nicht langsam vorüber.
Wie sehr der Wüstenstaat frisches Kapital benötigt, offenbart sich jetzt. Zum ersten Mal leiht sich das Land Geld im Ausland. 17,5 Milliarden Dollar will Saudi-Arabien einsammeln. Das ist die bisher größte Anleiheemission eines Schwellenlandes aller Zeiten. Es ist auch eine Art Kulturrevolution. Eine historische Öffnung zum Westen und seinen Märkten. Und diese Zeitenwende lassen sich die Scheichs auch etwas kosten. Denn die Premierenanleihen bieten einen attraktiven Zinsaufschlag für die Investoren.
(Foto: Infografik Die Welt)
Für die fünfjährigen Staatspapiere bekommen sie 1,4 Prozentpunkte mehr als vergleichbare US-Papiere. Für zehnjährige beträgt der Aufschlag sogar 1,7 Prozentpunkte. Wer dem Königreich für 30 Jahre Geld leiht, bekommt dafür zwei Prozentpunkte mehr, als würde er in US-Anleihen investieren.
Diesen Aufschlag gibt es, weil ein so verschlossenes und weithin unergründliches Reich wie Saudi-Arabien deutlich größere politische Risiken birgt, als etwa eine westliche Nation. Außerdem wollen sich die Scheichs bei den Investoren „Freunde machen“. Schließlich darf man beim Debüt nicht patzen.
Auf dem Papier einer der solidesten Staaten
Denn es soll nicht bei dieser Emission bleiben. In den kommenden Monaten und Jahren könnten neue Anleihen in einem Volumen von 100 Milliarden Dollar emittiert werden. Noch wichtiger: 2017 steht mit Saudi Aramco der größte Börsengang in der Wirtschaftsgeschichte an. Da darf vorher auf keinen Fall etwas schiefgehen.
Das scheint offenbar zu gelingen: Saudi-Arabien trifft mit seinen ersten internationalen Anleihen den Geschmack der Investoren. Einem Insider zufolge reichte die Nachfrage nach den Papieren am Mittwoch für etwa 67 Milliarden Dollar – der bisherige Rekordwert für eine Schwellenländeranleihe liegt bei 69 Milliarden Dollar im April für argentinische Papiere.
Die hohe Nachfrage ist zum einen auf die weltweit niedrigen Zinsen und den Mangel an renditeträchtigen Alternativen zurückzuführen. Zum anderen sind Investoren zuversichtlich, dass es der Regierung gelingt, das Land unabhängiger vom Öl zu machen. Gleichwohl stellen die geprüften Ölreserven im Wert von umgerechnet 14 Billionen Dollar eine gewisse Sicherheit her.
(Foto: Infografik Die Welt)
Die Saudis haben ein Auslandsvermögen, das 170 Prozent ihrer eigenen Wirtschaftsleistung entspricht. Insofern handelt es sich auf dem Papier um eine der solidesten Staaten. Wegen der politischen Unsicherheit auch in der Region wird das Land jedoch als weitaus riskanter betrachtet. Die Akteure beziffern die Ausfallwahrscheinlichkeit in den kommenden fünf Jahren auf nicht weniger als 9,6 Prozent.
In der Wahrnehmung der großen Geldgeber waren die Saudis bislang nur eine lokale Macht. Zwar hatten sie im vergangenen Jahr bereits ihre Aktienbörse für ausländische Anleger geöffnet. Doch die Zeitenwende kann nur durch eine Premiere am Bondmarkt eingeläutet werden.
Saudi-Arabien schwimmt nach wie vor im Öl
Wie der Historiker Niall Ferguson beschreibt, gehen Aufstieg und Fall von großen Nationen immer mit Erfolg und Misserfolg am Bondmarkt einher. Wer Kriege führt, seine Gesellschaft umbaut oder globale Potenz signalisieren will, muss sich am internationalen Finanzmarkt jederzeit Geld besorgen können. Auch der Bankrott einer Nation wird durch den Bondmarkt ausgerufen. So ist Griechenland erst in Bedrängnis gekommen, als das Land kein Geld mehr von den Finanzmärkten bekam.
Die saudische Emission ist auch deshalb bemerkenswert, weil das Land nach wie vor im Öl schwimmt. Auch die Devisenreserven sind mit 513 Milliarden Dollar immer noch gigantisch. Doch auf den zweiten Blick ist das Modell des Wüstenstaates nicht mehr zeitgemäß. Die Idee, „wir fördern einfach Öl und verdienen uns damit eine goldene Nase“, funktioniert nicht mehr. Laut IWF liegt der Preis, zu dem der Rohstoff profitabel aus der Erde geholt werden kann, inzwischen bei knapp 80 Dollar.
Momentan kostet ein Barrel rund 50 Dollar. Auch die Scheichs sind weit davon entfernt, ihre Ausgaben aus dem Verkauf des Öles zu bestreiten. Im vergangenen Jahr stand zuletzt ein Rekorddefizit von 98 Milliarden Dollar (87 Milliarden Euro), was 15 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. In diesem Jahr dürfte es nicht viel weniger sein. Die Ratingagentur Fitch rechnet mit einem Budgetdefizit von 11,2 Prozent.
Seit Monaten sagt bin Salman, dass sein Land sich vom Öl lossagen muss. Diesem Ziel dient seine „Vision 2030“, ein Plan, mit dem der Prinz den Wohlstand des Landes sichern will. Es ist der ambitionierteste Umbau einer Wirtschaft, den ein Land derzeit wagt. Herzstück ist ein gigantischer Investitionsfonds. Sieben Billionen Riyal soll er umfassen, mehr als 1600 Milliarden Euro. Das Geld des Westens soll dabei helfen.
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