„Malta-Masche“ – Wie „Reichsbürger“ die Justiz schikanieren

„Reichsbürger“ halten die Bundesrepublik für eine Mär. Sie weigern sich Abgaben zu bezahlen, treiben Beamte mit Briefen in den Wahnsinn und klagen. Die ganz Gemeinen greifen zur „Malta-Masche“.

Als „Staatsangehörige des Freistaats Preußen“ oder Einwohner des „Fürstentums Germania“ fühlen sich „Reichsbürger“ nicht als Einwohner der Bundesrepublik Deutschland – und deshalb auch nicht deren Gesetzen verpflichtet.

Das führt dazu, dass die „Reichsbürger“ diese nicht nur gerne missachten, sondern auch die Konsequenzen ihres Handelns nicht tragen wollen. Einer Berufsgruppe bereitet das schon länger Sorge: den Gerichtsvollziehern. Als Justizbeamte vollstrecken sie Urteile und pfänden Vermögen, wenn Schuldner ihre Zahlungen nicht begleichen.

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Gerichtsvollzieher treffen häufig auf „Reichsbürger“. Schließlich weigern sich viele von diesen, Abgaben zu zahlen. Insbesondere der Rundfunkbeitrag gilt für sie als rotes Tuch. Allein die sächsische Landesregierung berichtet von 700 Fällen, in denen Anhänger der Bewegung die Zahlung von Abgaben, darunter Steuern und Bußgelder, verweigert hätten. Bekommen es Gerichtsvollzieher mit „Reichsbürgern“ zu tun, wird es für die Justizbeamten oft unangenehm.

Das fängt beim Schriftverkehr an. Der „Welt“ liegen mehrere Briefwechsel zwischen einem sächsischen Gerichtsvollzieher und einem „Reichsbürger“ vom „Amt der Menschen“ vor. Ausführlichen Erläuterungen, warum der Beamte nicht vollziehen dürfe, sind ein Ausdruck der Haager Landkriegsordnung – heute eine Art „Standardwerk“ der Bewegung – sowie eine Beschwerde beim Bundespräsidenten beigelegt. Erst auf der letzten Seite erhebt der Zahlungsverweigerer einen rechtswirksamen Einspruch gegen die Pfändung, auf den der Gerichtsvollzieher reagieren muss.

Das Entscheidende wird gut versteckt

„Innerhalb ihrer absurden Briefwechsel fügen die ‚Reichsbürger‘ Einsprüche ein, die wir beantworten müssen. Dann beginnt oft ein Schreibmarathon, wochenlange Briefwechsel sind normal. Dass die relevanten Dinge wahllos im Text versteckt sind, macht die Sache nicht einfacher“, sagt der Gerichtsvollzieher.

Zudem reichen „Reichsbürger“ immer wieder Anzeigen gegen die Justizbeamten ein, oder sie fordern Schadenersatz in Höhe der Pfändungen. Diese Fälle sind in der Regel schnell erledigt. Schwieriger ist es, wenn „Reichsbürger“ Beleidigungen anzeigen – dann muss der Staatsanwalt prüfen, ob ein Verfahren eröffnet wird.

Welcher Aufwand dahintersteckt, hängt vom Umfang der Anzeige ab. Ein Richter erklärt es so: „Die ‚Reichsbürger‘ senden für eine Beleidigung oft einen Stapel an Begründungen mit. Die muss der Staatsanwalt mindestens einmal durchlesen. Davon hängt der Aufwand ab.“

Die „Malta-Masche“ ist ärgerlich und teuer

Manche Anhänger der Bewegung schikanieren die Beamten noch mit viel größerem Aufwand. Dabei setzen sie auf die sogenannte Malta-Masche. Das Prinzip, wie es etwa Sachsen-Anhalts Justizministerium erklärt: Der „Reichsbürger“ erfindet eine Geldforderung gegen sein Opfer und trägt die Summe in das US-Online-Handelsregister ein. Eine Begründung ist nicht erforderlich.

Anschließend tritt er die angebliche Forderung an ein von „Reichsbürgern“ auf Malta gegründetes Inkassounternehmen ab. Dieses bekommt dann von einem maltesischen Gericht – ohne Prüfung – die Genehmigung, die fiktiven Schulden in Deutschland einzutreiben.

Was bisher aber in keinem einzigen Fall geklappt hat. Für die Betroffenen ist die Malta-Masche dennoch mit großem Ärger verbunden. Denn sie müssen zwischen dem 15. und 30. Tag nach Zustellung solcher Forderungen persönlich auf Malta erscheinen, um die Ansprüche zu bestreiten – und brauchen dafür einen Anwalt, der Maltesisch spricht. Einige Bundesländer übernehmen inzwischen die Kosten in solchen Fällen. Auch der Bundesregierung ist das Problem bekannt; sie steht deshalb in Kontakt mit den maltesischen Behörden. Prominenteste Opfer sollen Angela Merkel und Joachim Gauck sein.

Vorfälle häufen sich vor allem in Ostdeutschland

Doch manche „Reichsbürger“ belassen es nicht bei solcher Schikane gegen Staatsbedienstete und reagieren mit Gewalt. In Reuden (Sachsen-Anhalt) etwa schoss einer von ihnen auf Polizisten, die einen Gerichtsvollzieher zu einer Pfändung begleitet hatten. Dieser wollte Forderungen in Höhe von 150.000 Euro für öffentliche und private Gläubiger durchsetzen. In Dresden wurden Polizeibeamte gar mit vermeintlichen „Kollegen“ konfrontiert: Dort ließ ein „Reichsbürger“ einen Gerichtsvollzieher durch das „Deutsche Polizei Hilfswerk“ – eine Art Miliz – „festnehmen“.

Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern hat man solche Erfahrungen gesammelt. Doch auch im Westen nimmt die Zahl solcher Vorfälle zu. „In den vergangenen Jahren haben die ‚Reichsbürger‘ vor allem im Osten von Deutschland den Gerichtsvollziehern Probleme bereitet. In den letzten Jahren tritt das Problem auch verstärkt im Westen auf, wenn auch in der Anzahl immer noch ein Unterschied zu den neuen Bundesländern erkennbar ist“, sagt etwa Walter Gietmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Gerichtsvollzieherbunds, im Gespräch mit der „Welt“.

Berufskollegen bestätigen die Einschätzung Gietmanns. Sie weisen darauf hin, dass es vor allem im Westen auch Trittbrettfahrer gebe, die nicht direkt den „Reichsbürgern“ zuzuordnen sind. Im Osten hingegen gingen Anhänger der Bewegung organisierter vor. „Regelmäßig haben wir im Kollegenkreis ‚Reichsbürger‘, die alle unter demselben Label, etwa der ‚Deutschland GmbH‘, auftreten“, berichtet ein Gerichtsvollzieher aus Brandenburg.

Verfassungsgericht soll Grundgesetz für ungültig erklären

Dass das Problem in den östlichen Bundesländern größer ist, liegt auch daran, dass die „Reichsbürger“ diesen mit besonderem Misstrauen begegnen. Sie berufen sich darauf, dass es keine Gründungsurkunde gebe – und somit auch keine neuen Bundesländer. Ersteres stimmt, Letzteres nicht. Gesetzliche Grundlage zur Gründung der östlichen Bundesländer war das Ländereinführungsgesetz von 1990.

Auf die Amts- und Landesgerichte greifen die „Reichsbürger“ dennoch regelmäßig zurück, um gegen Personen oder Urteile zu klagen. Auch das Bundesverfassungsgericht haben sie schon aufgerufen, um das Grundgesetz für ungültig zu erklären. Für ihre Forderungen vertrauen sie dem Staat dann doch.

Wie mit „Reichsbürgern“ umzugehen ist, beschäftigt die Behörden zunehmend. In Sachsen und Brandenburg gibt es mittlerweile sogar ein „Handbuch zum Umgang mit Reichsbürgern“, herausgegeben vom jeweiligen Landesamt für Verfassungsschutz. Die brandenburgische Version umfasst auf 224 Seiten den Umgang mit der Gruppe bis zur Einschätzung des Gefahrenpotenzials, das von ihr ausgeht. Aufgelistet sind darin auch die wichtigsten Argumente der Querulanten – und die jeweiligen Gegenargumente.

Dirk Wilking, Geschäftsführer des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung und Mitherausgeber des Handbuchs, empfiehlt den Beamten dennoch, sich auf keine Diskussion einzulassen. „Es ist sinnlos, auf die Argumente der ‚Reichsbürger‘ einzugehen. Hat man das getan, ist es meistens schon zu spät“, sagt Wilking.

Da es in der Praxis nur schwer möglich ist, der Diskussion mit den „Reichsbürgern“ zu entgehen, sollen Gerichtsvollzieher in Brandenburg mittlerweile nur noch in Begleitung der Polizei bei Schuldnern erscheinen, die in Verdacht stehen, der Bewegung anzugehören. Zudem haben einige Gerichte in dem Bundesland wegen der „Reichsbürger“ sogar ihre Sicherheitsmaßnahmen erhöht.

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