Anti-IS-Krieg in Mossul – Was folgt auf die „ultimative Vernichtung“?

Ein Sieg gegen den IS im Irak soll Obamas außenpolitische Bilanz schönen. Dazu setzt er auf regionale Verbündete. Was auf dem Papier klug scheint, könnte in der staubigen Realität im Chaos enden.

Nachdem irakische und kurdische Truppen im Laufe der vergangenen Woche näher an die irakische IS-Hochburg Mossul herangerückt waren, reiste US-Verteidigungsminister Ashton Carter am Samstag in die Türkei und den Irak, um sich über die Offensive zu informieren. Rund 30.000 irakische Soldaten stehen zusammen mit US-Spezialeinheiten zum Sturm auf die Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern bereit.

Die US-Truppen trainieren und beraten die irakischen Streitkräfte. Darüber hinaus unterstützt die US-geführte Koalition die irakische Armee und kurdische Truppen bei ihrem Vormarsch auf Mossul aus der Luft.

Mehr zum Thema: Putins verdeckter Krieg gegen den Westen

Barack Obama will zum Ende seiner Amtszeit Erfolge im Nahen Osten verbuchen, nachdem er an diesem Schauplatz bislang keine überzeugende Figur machte. Für die USA ist die Region zudem zu einer vorgelagerten Arena im Ringen um die globale Stellung mit Russland geworden. Doch angesichts der sehr unterschiedlichen Interessen der Anti-IS-Koalition und des Misstrauens untereinander birgt die Befreiung von Mossul neue Gefahren.

Carter war auch angereist, um zu koordinieren. Doch diese Koordination der Beteiligten im Kampf gegen den Islamischen Staat steht erst am Anfang. Er sei „ziemlich zuversichtlich“, sagte Carter am Wochenende, „dass wir die Empfindlichkeiten aller Seiten berücksichtigen können“.

Auch interessant: „Wir könnten den Krieg in nur drei Tagen gewinnen“

Es ist eine Koalition der Misstrauischen, die gegen die Islamisten kämpft. Während Iraker, Kurden, syrische Oppositionskräfte und an der Seitenlinie die Türken sich auf den Islamischen Staat als gemeinsamen Todfeind einigen konnten, vertrauen sie einander gar nicht. Dies musste auch der US-Verteidigungsminister am Wochenende erfahren, als er versuchte, zwischen dem Irak und der Türkei zu vermitteln.

Der Irak lehnte Hilfe der Türkei bei der Offensive ab. Carter hatten dagegen signalisiert, eine Beteiligung der Türkei zu tolerieren. Am Sonntag teilte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim dann mit, türkische Truppen seien von Peschmerga-Kämpfern um Hilfe gebeten worden und hätten sich nun doch an der Offensive beteiligt, und die Kämpfer mit „Artillerie, Panzern und Haubitzen“ unterstützt. Der Irak hat diese Beteiligung der Türken dann am heutigen Montag wiederum bestritten.

Obama: „Mossul wird ein schwieriger Kampf“

Die Interessenslage ist komplex: Saudi-Arabien verlangt aus Angst vor nachfolgenden Massakern, dass schiitische Milizen von den Kämpfen ausgeschlossen werden. Der türkische Präsident Erdogan fordert, dass in einem befreiten Mossul nur Sunniten leben dürfen. Bei der erhofften Siegesparade möchte er gern auch türkische Truppen sehen. An anderen Frontlinien in Syrien kommen die Russen hinzu, denen die Stützung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mindestens so wichtig scheint wie die Niederringung der Dschihadisten. Der Iran unterstützt die Schiiten und Assad ebenfalls.

Etwa 2500 US-Soldaten sind beratend tätig bei der Offensive, sie sorgen für Aufklärung und Zielortung und stellen die Kommunikation sicher. Darunter sind bis zu 300 Elitesoldaten des Kommandos Special Operations, die sehr dicht an der Frontlinie eingesetzt werden. Ein US-Soldat ist in den Kämpfen vergangene Woche bereits ums Leben gekommen.

Mehr zum Thema: Die mächtigsten Feinde des IS fürchtet auch der Westen

Die Stärke des IS in Mossul wird vom Pentagon auf bis zu 5000 Kämpfer geschätzt. Obama sagte, er sei optimistisch, dass der IS in Mossul und andernorts besiegt werde, „und dies wird ein weiterer Schritt zu ihrer ultimativen Vernichtung“. Er schickte aber warnend voraus: „Mossul wird ein schwieriger Kampf, und es wird Erfolge und Rückschläge geben.“

Die USA sind in der Allianz gegen den IS von unsicheren Partnern umgeben. So sind die kurdischen Kräfte einerseits die verlässlichsten Verbündeten der USA, aber andererseits bei den zumeist arabischen Kämpfern der Neuen Syrien-Armee unbeliebt. Erst vergangene Woche bombardierte die Türkei Stellungen der YPG, auch als Peschmerga bekannt. Saudi-Arabien hat viel Vertrauen zu Washington verloren, seitdem Obama vor drei Jahren Assads Einsatz von Giftgas trotz der zuvor definierten „roten Linie“ nicht durch einen Militärschlag ahndete.

Wie Trump agieren würde, ist nicht absehbar

Das Fatale am Kampf um Mossul: Zu Recht hat Obama immer wieder betont, es könne keine militärische Lösung des Konflikts geben. Doch ähnlich wie beim Einmarsch von Vorgänger George W. Bush im Jahr 2003 in den Irak gibt es auch jetzt kein Konzept für den Tag danach. Washington probt derzeit den Weg eines mittleren militärischen Engagements.

Schickte Bush eine gigantische Streitmacht von bis zu 170.000 Soldaten in den Irak, löste Obama sein Wahlkampfversprechen ein, bis Ende 2012 sämtliche US-Truppen wieder heimzuholen; dieses Zieldatum hatte schon Bush definiert. Beide Extreme führten nicht zur Stabilisierung der Region.

Jetzt hofft Obama auf Erfolge durch ein begrenztes militärisches Engagement von 5000 bis 9000 Soldaten bei gleichzeitiger massiver Unterstützung durch regionale Verbündete. Als schriftliche Strategie wirkt das rational. Doch in der staubigen Realität müssen die US-Berater darauf drängen, dass einzelne Truppen nicht schiitische oder sunnitische Banner beim Marsch auf Mossul vor sich her wehen lassen.

Was bedeutet diese Zerstrittenheit der lokalen Mächte für die Zeit nach einer Befreiung Mossuls – und die Zeit nach Obama? Wie ein Präsident Donald Trump agieren würde, ist nicht vorauszusagen. Bekannt ist seine Ankündigung, er würde „die Scheiße aus ihnen (dem IS) herausbomben“. Aber das mag nur „Umkleideraumgerede“ sein, auf das sich der Kandidat der Republikaner in anderen Zusammenhängen gern herausredet. Noch häufiger hat Trump isolationistische Tendenzen und den Willen zu einem Rückzug von internationalen Kampfarenen deutlich gemacht.

Hillary Clinton hat für den Fall ihrer Präsidentschaft eine Flugverbotszone über Syrien angekündigt, insbesondere um die (über Mossul nahezu in Vergessenheit geratene) Zivilbevölkerung etwa in Aleppo zu schützen. Je nach Umfang einer solchen Zone könnte dies die Position der Kurden gegenüber Ankara erschweren und zudem zu direkten Konflikten zwischen den USA und Russland führen. Einen Plan zur Befriedung der Interessen am Boden lässt auch die Demokratin nicht erkennen.

Möchten Sie diesen Artikel kommentieren? Dann nutzen Sie die Kommentarfunktion auf unserer neuen Seite

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*