Die Email-Affäre Hillary Clintons hat am Montag den Auftakt zur letzten vollen Wahlkampfwoche in den USA beherrscht. Das Clinton-Lager war weiter um Schadensbegrenzung bemüht, während Donald Trump versuchte, die Affäre für seine Zwecke auszuschlachten. In den Umfragen musste Clinton leichte Einbußen hinnehmen. Mehr Bundesstaaten als noch Ende vergangener Woche wurden von Meinungsforschern als umkämpft eingestuft, landesweit beträgt Clintons Vorsprung im Durchschnitt aller wesentlichen Umfragen nur noch 2,5 Prozentpunkte. Mehr als 20 Millionen Menschen haben ihre Stimme bereits abgegeben.
Das Weiße Haus will im Streit um die FBI-Entscheidung zur Veröffentlichung eines Briefes in Zusammenhang mit Emails aus dem Umfeld von Clinton neutral bleiben. „Ich kritisiere ihn nicht und ich verteidige ihn nicht“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Montag in Washington über den in die Schusslinie geratenen FBI-Chef James Comey.
Der Zeitpunkt von Comeys jüngster Bekanntgabe, so kurz vor der Präsidentenwahl am 8. November, hat eine heftige Debatte ausgelöst. Sein Schritt war ein Bruch mit der langjährigen Praxis, kurz vor Wahlen keine Informationen über Ermittlungen zu veröffentlichen, die sich auf das Wahlergebnis auswirken könnten. Comey setzte sich damit auch über den ausdrücklichen Wunsch seiner Chefin, der Justizministerin Loretta Lynch, hinweg. Clinton sprach von einem „bisher einmaligen“ und „besorgniserregenden Vorgang“ und forderte Comey auf, alle Fakten auf den Tisch zu legen.
Präsident Barack Obama sei nicht der Auffassung, dass Comey seine Position für politische Zwecke ausnutzen wollte. „Der Präsident glaubt, dass der FBI-Chef ein integrer Mann mit Charakter ist“, sagte Earnest. Allerdings werde Obama im Wahlkampf weiter auf der Seite Clintons, seiner früheren Außenministerin stehen.
Im Mittelpunkt der Email-Affäre steht die Frage, ob Clinton während ihrer Zeit als Außenministerin (2009 bis 2013) durch die Nutzung eines privaten Servers für dienstliche Korrespondenz die Sicherheit der Nation gefährdet hat – etwa weil geheime Nachrichten über das möglicherweise hackeranfällige System verschickt wurden. Das FBI ermittelte bereits, es kam aber nicht zu einer Anklage. Comey bescheinigte Clinton im Sommer zwar extreme Sorglosigkeit, aber kein kriminelles Verhalten.
Völlig unklar blieb jedoch auch am Montag, was der Inhalt der wohl auf einem von Clinton-Beraterin Huma Abedin und ihrem Noch-Ehemann Anthony Weiner gemeinsam genutzten Laptop befindlichen Emails ist. Rechtsexperten gingen davon aus, dass die neu aufgetauchten Schriftsätze nicht die Qualität haben werden, die Entscheidung des Justizministeriums, keine Anklage gegen Clinton zu erheben, zu verändern.
Das FBI kann Medienberichten zufolge nun aber die neuen Emails prüfen, die nötige Genehmigung sei erteilt. Die Emails seien bereits Anfang des Monats entdeckt worden, berichteten zudem die „Washington Post“ und der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf Justizkreise.
Der „Washington Post“ zufolge wurde Comey selbst erst am vergangenen Donnerstag über die neue Entwicklung unterrichtet, wie er auch in seinem Schreiben betonte. In den Wochen nach dem Fund waren die Ermittler laut CNN anscheinend zunächst damit beschäftigt, dessen mögliche Bedeutung einzuschätzen und über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Dem „Wall Street Journal“ zufolge wurden auf Weiners Computer 650 000 E-Mails gefunden, die sich über Jahre erstreckten, viele von Abedins Email-Konto. Metadaten hätten gezeigt, dass anscheinend Tausende von Clintons privatem Server stammten oder dorthin geschickt wurden.
Richard Painter, früherer Ethik-Anwalt des damaligen Präsidenten George W. Bush, legte Beschwerde bei der Sonderanwaltschaft der US-Regierung und der Behörde für Regierungsethik ein, wie er am Sonntag in einem Meinungsbeitrag für die „New York Times“ schrieb. Das FBI habe seine Macht missbraucht und wahrscheinlich gegen ein Gesetz über politische Einflussnahme durch Mitglieder der Exekutive verstoßen.
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