Kommentar: Trump beim Wort nehmen

© AFP Damit Donald Trump auf internationalem Parkett nicht der Wind ins Gesicht bläst, muss man ihn beim Wort nehmen können.

Das Dreiecksverhältnis zwischen Donald Trump, seinen Anhängern und den Medien hat der konservative Stratege Brad Todd im Sommer treffend beschrieben: „Die Wähler nehmen Trump ernst, aber nicht wörtlich. Die Presse nimmt ihn beim Wort, aber nicht ernst.“ Anlass war, dass Trump Präsident Obama als „Gründer“ des IS bezeichnet hatte. Die Entrüstung mancher Medien bestätigte für viele Amerikaner deren angebliche Verlogenheit. Schließlich hatten einige Kommentatoren, die Trump nun einer weiteren Lüge ziehen, Obama gerügt, weil er die Terrormiliz unterschätzt hatte.

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Trump hatte die Kritik demnach nur zugespitzt. Todd hat kürzlich nachgelegt: Immer noch nähmen die Medien Trump beim Wort, monierte er. Diesmal bezog er sich auf Trumps an den Haaren herbeigezogene Behauptung, dass sich „Millionen von Leuten illegal“ an der Wahl beteiligt hätten. Politiker und Journalisten, so Todd, legten übertriebenen Wert auf Worte. Einen Macher wie Trump müsse man an Taten messen. Sein Sieg bedeute: „Worte spielen keine Rolle mehr.“

Politiker und Journalisten sollten Todds Beobachtung bedenken. Denn Trump hat eine Verbindung zu Leuten hergestellt, zu denen sie oft keinen Draht mehr hatten, womöglich nicht einmal mehr suchten. Doch es wäre fatal, wenn sie Todds Aufforderung zur Kapitulation folgten. In der Politik sind Worte Taten. Trump weiß das. Monatelang hat er mit sorgsam formulierten Versprechen, Beleidigungen und Attacken die Wählerkoalition gezimmert, die ihn zum Sieg trug.

Ähnliches muss er als Präsident leisten: Mehrheiten im Kongress schmieden und fremde Regierungen hinter bestimmten Zielen vereinen. Partner müssen seinen Zusagen, Feinde seinen Drohungen Glauben schenken. Ein Präsident, der auf der Welt nicht bloß als einsamer Polizist patrouillieren will, ist besonders darauf angewiesen, dass auf sein Wort Verlass ist.

Kollabiert der Trumpismus, wenn Trump andere Töne anschlägt?

Die Frage lautet nach dem Wahlkampf also nicht, ob Trump seine Worte wählen kann, um Ziele zu erreichen. Die Fragen lauten: Beherrscht er die differenzierte Kommunikation, die im Oval Office gefordert ist? Bringt er die Disziplin auf, Kontraproduktives ungesagt herunterzuschlucken, auch wenn ihn Kritik gekränkt hat? Aber auch: Kollabiert der Trumpismus, wenn Trump andere Töne anschlägt? Die übersichtliche Dreiecksbeziehung, in der er sich mit Wählern gegen „Mainstream-Medien“ und sonstiges „Establishment“ verbrüderte, ist jedenfalls passé.

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Regiert wird im Vieleck: Unzählige Kräfte aus dem In- und Ausland sind bald nicht mehr Zuschauer, sondern Akteure, von denen auch Trumps Erfolg abhängt. Vertraute wie sein Chefstratege Stephen Bannon werden den Präsidenten dazu drängen, der Basis treu zu bleiben. Ohne die rhetorischen Rundumschläge, mit denen der Kandidat die Ressentiments und Sorgen vieler Landsleute aufnahm und zugleich für Kurzweil sorgte, wird der Präsident sie nicht lange bei der Stange halten – erst recht, wenn er seine Wohlfahrtsversprechen nicht erfüllen kann. Doch für einen amerikanischen Präsidenten gilt allemal, was die deutsche Kanzlerin in der Flüchtlingskrise lernte: Es gibt keine reine Kommunikation nach innen mehr. Die Welt hört immer zu.

Bisher geben sich ausländische Regierungschefs erleichtert, wenn Trump sich um sein Geschwätz von gestern nicht mehr schert. Im Wahlkampf hatte Trump den Leuten einen Krieg zwischen Japan und dem nuklear bewaffneten Nordkorea ausgemalt und zynisch gesagt: „Viel Glück! Genießt es, Leute.“ Doch Shinzo Abe atmete nach einem ersten Treffen auf – Tokio werde mit dem künftigen Präsidenten auskommen.

Das Großsprecherische wird Trumps Markenzeichen bleiben

Nachdem Pakistan im Wahlkampf nur als Brutstätte des Terrors vorgekommen war, übergoss der designierte Präsident nun Nawaz Sharif mit Superlativen über sein „tolles Land“ und „eines der intelligentesten Völker“. Kuba dagegen hat Trump diese Woche mit den Worten gedroht, er werde „den Deal“ aufkündigen, wenn Havanna sich nicht bewege. Doch weder gibt es diesen einen kubanisch-amerikanischen Pakt, noch wird das Castro-Regime die Demokratie einführen, weil Trump seinen Landsleuten sonst das Investieren verbietet.

Zur Terrorbekämpfung wiederum hatte Trump angekündigt, „Waterboarding und viel Schlimmeres“ einzuführen, weil „Folter funktioniert“. Jetzt erzählte er treuherzig, er sei „verblüfft“ und „sehr beeindruckt“ gewesen, als ihm sein Wunschverteidigungsminister James Mattis erklärt habe, „mit einem Päckchen Zigaretten und ein paar Bier“ erreiche man mehr.

Die Beispiele besagen nur eines: Solange Trump keine Ahnung hat, was er mit wem vorhat, sind seine Worte nichts wert – weder die Unverschämtheiten noch die Schmeicheleien. Das Großsprecherische wird sicherlich Trumps Markenzeichen bleiben. In Amerika ist dieser krasse Kontrast zu Obama vielen Leuten willkommen; der Rest der Welt wird sich ein dickeres Fell zulegen. Niemand täte sich einen Gefallen, bei jeder Abweichung von den Floskeln der Politik oder Usancen der Diplomatie die Augenbrauen hochzuziehen. Doch der designierte Präsident kann nur wissen, was er sagt, wenn er endlich lernt, was los ist. Politiker und Journalisten gewinnen kein Vertrauen zurück, wenn sie ihm bis dahin jedes Geschwätz durchgehen lassen.

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