Ischgl zieht die Party-Bremse

Zwei junge Männer schauen ziemlich verdutzt aus ihrer Skiwäsche. Mitten im Zentrum von Ischgl sind sie gerade vom privaten Sicherheitsdienst des Orts auf ein Verbot hingewiesen worden, das am Beginn der Wintersaison im deutschsprachigen Raum hohe mediale Wellen geschlagen hat. Die beiden bestens gelaunten Urlauber haben bis jetzt davon aber nichts mitbekommen.

„Die Securitys haben uns gesagt, dass wir keine Skischuhe tragen dürfen und sie ausziehen müssen. Sonst kostet das bis zu 2000 Euro“, sagt einer der beiden Deutschen. Die beiden Partytiger, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, aber bereitwillig für ein Foto posieren, ziehen weiter – in den „Kuhstall“, einen der bekanntesten Après-Ski-Tempel des Dorfs im Tiroler Paznauntal.


No ski boot
Foto: Getty Images/iStockphoto/Branchegevara/iStockphoto

Es ist halb neun. Wie jeden Tag gilt seit 20 Uhr ein Verbot, das das Tragen von Skischuhen und -stöcken, Snowboards und Skiern auf den Straßen Ischgls untersagt. Wer sich daran nicht hält, muss entweder auf kürzestem Weg in ein Taxi oder riskiert, mindestens 25 Euro oder eben auch bis zu 2000 Euro berappen zu müssen.

Die Gemeinde hat diese im Oktober beschlossene Verordnung mit der Gefahr für die Gäste, mit den Skischuhen auszurutschen bzw. von geschulterten Skiern getroffen zu werden, begründet. Aber auch mit dem Lärm, den die Träger von Hartschalenschuhen nächtens im Ort verursachen.

Und um den geht es viel mehr, als um das Verletzungsrisiko. Ischgl hat sich in der Vergangenheit den Ruf als „Ballermann der Alpen“ erarbeitet. Das hat viele Gäste gebracht, aber nun ist man in der Tourismus-Hochburg um eine Kurskorrektur bemüht. „Ischgl ist mit dem Partytourismus groß geworden. Und wir haben auch nichts gegen das Après Ski. Aber wir wollen das in gemäßigte Bahnen lenken“, sagt Alexander von der Thannen, Chef des Hotel „Trofana Royal“.

Das steht gewissermaßen als Inbegriff für den Spagat, den Ischgl teilweise vollführt. In dem 5-Sterne-Superior-Haus mit eigenem Drei-Hauben-Restaurant kostet ein Zimmer in der nun laufenden Hochsaison 490 Euro – pro Person. Direkt neben dem Hotel betreibt von der Thannen mit der „Trofana Alm“ eines der bekanntesten Après-Ski-Lokale im Dorf.

Strafen fürs Urinieren

Die wildesten Party-Auswüchse sind aber gut zahlenden Gästen kaum zumutbar. „Es passt nicht ins Bild, wenn Leute in der Nacht grölend durch den Ort ziehen und gegen Hausmauern urinieren“, sagt der Hotelier. Auf diese Gruppe zielt eine weitere Verordnung ab, die im Trubel um das „Skischuh-Verbot“ fast untergegangen ist.

Der Gemeindewachdienst kann nun auch gegen jene vorgehen, die nach Mitternacht herumbrüllen. Das kann Geldstrafen von bis zu 360 Euro nach sich ziehen. Das gilt auch für das „öffentliche Urinieren und Defäkieren“, sowie Erbrechen. Sobald es dunkel wird, patrouillieren fünf Zwei-Mann-Streifen gewissermaßen als Sittenpolizei durch die Straßen.Die neuen Spielregeln zielen weniger auf Gäste ab, die im Ort nächtigen und ihre Party nach Pistenschluss ohnehin für das Abendessen im Hotel zumindest unterbrechen. Es geht vor allem um jene, die aus anderen Orten des Tals kommen oder überhaupt nur für einen Ski- und Partytag mit eigenen Bussen anreisen und die nach dem Einkehrschwung bis zum bitteren Ende durchfeiern.

Das Party-Volk nimmt die Après-Ski-Gebote beim Lokalaugenschein zum größten Teil gelassen zur Kenntnis. Die Touristen ziehen sich entweder vor 20 Uhr um. Oder sie machen es wie Stefan Blachowski aus Deutschland und seine Freunde, die in Skischuhen auf der „Kuhstall“-Tanzfläche stehen: „Wir bleiben die ganze Nacht im Lokal und fahren dann mit dem Taxi.“

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