Reiche besitzen über ein Drittel des Nettovermögens in Österreich

Zwar ist die Armut und Armutsgefährdung in den vergangenen Jahren in Österreich leicht gesunken. Und auch die Ungleichheit bei den Einkommen hat sich etwas verringert. Trotzdem sind Einkommen und Vermögen hierzulande laut Sozialbericht 2015/2016 aber weiter „extrem ungleich“ verteilt. Das reichste Prozent besitzt geschätzt etwa 34 Prozent des gesamten Nettovermögens in Österreich.

„Österreich ist ein reiches Land. Das darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass die Einkommen und Einkommenschancen sehr ungleich und die Vermögen extrem ungleich verteilt sind“, heißt es im Sozialbericht. Eine staatliche Umverteilungspolitik sei daher unverzichtbar. Die Sozialausgaben betrugen 2015 insgesamt 102,5 Milliarden Euro, 30,2 Prozent der Wirtschaftsleistung flossen in Sozialmaßnahmen.

Schätzungen zufolge besitzt hierzulande das reichste Prozent der Bevölkerung etwa 34 Prozent des gesamten Nettovermögens. Dieser Wert ist laut einer Studie der europäischen Zentralbank höher als in allen anderen untersuchten EU-Ländern. Das vermögendste Prozent der Haushalte verfügt demnach über nahezu gleich viel Nettovermögen wie die unteren 80 Prozent der Bevölkerung.

Kritisch merkt der Bericht des von Alois Stöger (SPÖ) geführten Sozialministeriums auch an, dass es in Österreich eine hohe Besteuerung von Arbeit, aber eine vergleichsweise geringe Vermögensbesteuerung gibt. 1,4 Prozent des Abgabenaufkommens stammten 2014 aus vermögensbezogenen Steuern, im Durchschnitt der EU-15 lag dieser Wert bei 6, im OECD-Schnitt bei 5,5 Prozent.

Die Autoren des Sozialberichts schlagen deshalb eine Erbschaftssteuer beziehungsweise eine Steuer bei Vermögensübertragung vor. Erbschaften hätten nämlich eine große Bedeutung für die ungleiche Verteilung von Vermögen in Österreich. Daten der Nationalbank lassen laut Sozialbericht erwarten, dass der Vermögenstransfer über Erbschaften in den nächsten zwei Jahrzehnten von jährlich 12 Mrd. Euro (2015) auf über 20 Mrd. Euro (2035) ansteigen wird. „Die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer ist daher dringlicher denn je.“ Steuerliche Maßnahmen müssten aber auch bei den Kapitaleinkommen ansetzen, wo die anonyme Flat Tax der Kapitalertragssteuer überdacht werden sollte. Zusätzlich sei eine Reform der Grundsteuer denkbar.

297.000 Menschen gelten in Österreich trotz Arbeit als arm und als sogenannte „Working Poor“. Ihr Einkommen reicht nicht aus, um für sich und ihre Familie ein Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle zu erzielen. Besonders betroffen sind dabei alleinerziehende Frauen, Menschen mit geringer Bildung sowie Ausländer. Mindestens 400.000 Menschen in der Privatwirtschaft erzielen auf Basis von Vollzeitbeschäftigung einen Bruttolohn von weniger als 1.500 Euro. Zwei Drittel davon sind Frauen.

Weitere Erkenntnisse aus dem Sozialbericht: Eine stark zunehmende Zahl von Menschen findet gar keinen Arbeitsplatz mehr. Die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen hat sich seit 2008 mehr als verdreifacht. 23 Prozent aller Menschen in Österreich leben in Haushalten, die keine unerwarteten Ausgaben in Höhe von 1.100 Euro finanzieren können. Einkommensunterschiede prägen auch Bildungsverläufe. Arme Kinder gehen etwa seltener in Kindergärten. Bildung beziehungsweise der Besuch von Kindergärten und Ganztagsschulen gilt denn auch als einer der Schlüssel, um Armut zu bekämpfen. Zur Bekämpfung von Ungleichheit müssten die entsprechenden Einrichtungen deshalb ausgebaut werden.

Am Arbeitsmarkt gibt es weiterhin eine „systematische Benachteiligung“ von Frauen. Österreich hat einen der höchsten Unterschiede der Stundenlöhne zwischen Männern und Frauen in Europa, Frauen verdienen bei gleicher Arbeit im Schnitt um 22,9 Prozent weniger als Männer. 75 Prozent der Männereinkommen liegen über dem Median der Fraueneinkommen. Fast 50 Prozent der Frauen, aber nur 10 Prozent der Männer arbeiten Teilzeit. Hier zeige sich der „lange Atem traditioneller Geschlechterrollen“, heißt es im Sozialbericht. Diese Situation habe Auswirkungen bis ans Lebensende: Alterspensionen von Männern sind um fast zwei Drittel höher als jene der Frauen.

Vor allem wichtige Ausgabenkategorien wie Wohnungsmieten würden Bezieher geringer Einkommen zunehmend belasten. Seit 2008 sind die Wohnkosten pro Quadratmeter für Niedrigeinkommensbezieher um 31 Prozent bzw. fast dreimal so stark wie für Haushalte mit hohen Einkommen gestiegen. Gerade wegen der Wohnungssituation und der Frage, kann man sich eine Eigentumswohnung leisten oder wohnt man auf Miete, würden den Sozialstaat laut Sozialbericht in Zukunft nicht nur Arme, sondern zunehmend auch Menschen aus der Mittelschicht brauchen.

Bis 2030 dürfte die aktuelle Sozialquote von 30,2 Prozent vor allem wegen der Alterung der Gesellschaft weiter steigen. Die Sozialausgaben steigen – zusätzlich zum demografiebedingten Mehraufwand – durchschnittlich um real 0,5 Prozent pro Jahr. Bei einem langfristigen jährlichen Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent ergäbe dies laut Szenario-Berechnungen im Sozialbericht 2030 eine Staatsquote von 33,4 Prozent, bei einem BIP-Wachstum von 1,8 Prozent würde die Staatsquote demnach bei 30,5 Prozent liegen.“

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