Für Donald Trump war es einer der Momente vor Millionen amerikanischen Fernsehzuschauern, die er so liebt. Wie in seinen früheren Casting-Shows präsentierte er mit großer Geste und einem breiten Siegerlächeln im Weißen Haus den Gewinner seiner Monate dauernden geheimen Auswahl seines Kandidaten für die vakante Stelle am obersten amerikanischen Gericht, dem Supreme Court auf dem Capitol Hill in Washington. Es ist die wohl wichtigste und weitreichendste Personalentscheidung Trumps, mit der er seine politische Agenda und die der Republikaner womöglich über Jahrzehnte in der Verfassungsinterpretation einer erzkonservativen Richtermehrheit verankern kann. „War das nicht eine Überraschung?“, sagte Trump in die Kameras und strahlte triumphierend, als er seinen Richterkandidaten Neil Gorsuch der amerikanischen Nation vorstellte.
Gorsuch war schon einmal am Supreme Court: Am Obersten Gericht der Vereinigten arbeitete der 49 Jahre alte Richter seinem Mentor Anthony Kennedy zu. Anders als der eher liberale Kennedy wird Gorsuchs Haltung aber als durchgängig konservativ beschrieben. Darin ähnele er Antonin Scalia, dem Mann, dem er nachfolgen soll. Zwar entbehre Gorsuch dessen Feuer und Streitgewalt, habe aber Scalias glasklaren, eleganten Schreibstil, heißt es.
Gorsuchs akademischer Lebenslauf weist mit Columbia und Harvard zwei amerikanische Top-Universitäten auf, außerdem studierte er in Oxford. Sein Wirken als Partner in einer Washingtoner Großkanzlei wird als sehr erfolgreich beschrieben. Heute ist Gorsuch Bundesrichter an einem Berufungsgericht in Denver (Colorado). Gerüchte, wonach sich der jugendlich wirkende Mann im Alter von 39 die Haare grau gefärbt habe, um älter auszusehen, quittierte ein früherer Kanzleipartner einmal so: „Er wurde mit silbernem Haar geboren, außerdem mit einem unerschöpflichen Schatz an Churchill-Zitaten.“
Vertreter des Originalismus
Der Vater zweier Töchter wuchs in Colorado auf, kennt aber die Hauptstadt schon aus seiner Jugend. Als Teenager zog er nach Washington, wo seine Mutter auf Berufung des damaligen republikanischen Präsidenten Ronald Reagan die Umweltbehörde EPA leitete. Das Innenleben des Supreme Court lernte er früh kennen, als er dort als Richterassistent arbeitete. Es folgten Stationen in einer Anwaltskanzlei und im Justizministerium, bevor er an das Bundesgericht in seinem Heimatstaat berufen wurde.
© dpa, reuters Trump nominiert konservativen Richter Neil Gorsuch für Supreme Court
Wie Scalia ist Gorsuch ein Vertreter des sogenannten Originalismus. Nach dieser juristischen Lehrmeinung sollen die Worte der Verfassung so ausgelegt werden wie zur Zeit ihrer Entstehung. Werden Gesetze überprüft, geht es nur um deren Worte selbst, nicht um die Absicht oder Konsequenzen des Gesetzgebers. Gorsuch ist ein Bewunderer des im Februar 2016 verstorbenen Scalia. Der Umstand, dass dieser Posten seit einem Jahr vakant ist, heizt allerdings den Widerstand der Demokraten gegen den designierten Nachfolger an. Nach wie vor ist ihre Empörung darüber groß, dass die Republikaner die Besetzung des Richterpostens durch Trumps Vorgänger Barack Obama gezielt bis zum Ende von dessen Amtszeit blockiert hatten.
Charmeoffensive vor den Kameras
Dass er über eine geschliffene Wortwahl und ein einnehmendes Wesen verfügt, bewies Gorsuch gleich bei seinem ersten großen Auftritt vor der amerikanischen Öffentlichkeit. „Ein Richter, der jedes von ihm erreichte Resultat mag, ist sehr wahrscheinlich ein schlechter Richter“, bekannte sich Trumps Kandidat zum Primat des Rechts über die persönliche Meinung. Es war der Beginn einer Charmeoffensive, mit welcher der wertkonservative Jurist den Widerstand der oppositionellen Demokraten gegen seine Nominierung aufweichen will.
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