Karl B. ist vor den Kopf gestoßen. Vor den Kopf gestoßen von einer Debatte, die gerade erst begonnen hat. Der 39 Jahre alte Fallschirmjäger hat für Deutschland einen hohen Preis bezahlt. Ein halbes Dutzend Mal flog er in den Auslandseinsatz, vier Mal davon nach Afghanistan. Er tat das, was sein Gelöbnis von ihm verlangt: Der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.
Autor: Lorenz Hemicker, Redakteur in der Politik.
B. ist seinem Schwur wie nur wenige Bundeswehrsoldaten nachgekommen. Er patrouillierte mit seinen Kameraden in den staubigen Ortschaften rund um Kundus. Dort, wo der damalige Verteidigungsminister Peter Struck und seine Nachfolger Deutschlands Sicherheit verteidigen wollten. Dafür kämpfte B., dafür schoss er auf Aufständische, dafür bezahlte er mit einer Verwundung und mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, die ihn seitdem dauerhaft begleitet.
B. gehört einer Truppengattung des Heeres an, die sich, wie die Gebirgsjäger, ihrer militärischen Tradition außerordentlich verpflichtet fühlt. Manche sagen, über die Gründung der Bundeswehr hinaus. Den Vorwurf aber, „strukturell anfälliger“ für Rechtsextremismus zu sein, wie es der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) gegenüber der „Welt am Sonntag“ formulierte, kann B. nicht nachvollziehen. „Wir haben kein Problem, was über den Durchschnitt hinausgeht“, sagt der Hauptfeldwebel, der wie alle Gesprächspartner seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte, an diesem Sonntag am Telefon.
Die Bundeswehr umfasst gegenwärtig knapp 180.000 Soldaten. Eine Organisation, die so viele Angehörige hat wie Saarbrücken Einwohner. Wer sich, um im Bilde zu bleiben, in nobleren Stadtteilen umhört, bekommt nur Gutes zu hören. Ein Dozent der Führungsakademie etwa, der Kaderschmiede der Bundeswehroffiziere, betont gegenüber dieser Zeitung wie andere unisono, dass ihm rechtsextremes Gedankengut seit Anbeginn seiner Tätigkeit 2013 niemals begegnet sei. Doch auch in den rauheren Gebieten, den Kampftruppen eben, will kaum jemand rechtsextremen Umtrieben begegnet sein.
Selten, das war auch bislang der Eindruck, den die Berichte des Wehrbeauftragten vermittelten. In den vergangenen Jahren berichteten Hans-Peter Bartels (SPD) und sein Vorgänger stets über rund 60 Ereignisse, die mit Verdacht auf Extremismus oder Verstoß gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemeldet wurden. Fast ausnahmslos Propagandafälle. Nicht viel, könnte man meinen, die Größe Saarbrückens im Hinterkopf. Doch wenn ein Vorgesetzter einen rechtsextremen Untergebenen wie Franco A. zu decken scheint, einen Offizier, der offenbar einen Terroranschlag plante – sind da nicht Zweifel angebracht?
Heroisierung vergangener Tage
Karl B. ficht das nicht an. Er weigert sich nur, das Problem zu generalisieren. Wer ihm länger zuhört, gewinnt einen Eindruck davon, wovor er sich sorgt: Unverständnis für sein Leben, das er ganz in den Dienste des Staates gestellt hat. Nicht für Geld. Nicht für Karriere. Aus Liebe zu seinem Land. „Wenn ein Amerikaner stolz auf sein Land ist, ist das kein Problem. Wenn ein Afghane stolz auf sein Land ist, ist das kein Problem.“ Wenn ein Deutscher es sage, sei das hingegen gleich verdächtig. „Dabei hat das nichts mit Rechtsextremismus zu tun. Warum sollen wir nicht stolz sein?“
Doch einige Stimmen warnen dann doch. Ein inzwischen ausgeschiedener Offizier äußert die Ansicht, trotz der Erneuerungsbestrebungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) herrsche nach wie vor ein konservativer Geist, verbunden mit einem Hang zur Heroisierung vergangener Zeiten.
Ein langjähriger Beobachter erinnert zudem daran, dass, ähnlich wie bei Islamisten, Soldaten ihre Sympathie nicht an die große Glocke hängen würden. Die sich nur über Chats austauschten, der „Identitären Bewegung“ nahe stünden und von denen nur manche in Publikationen wie der „Jungen Freiheit“ oder auch auf Facebook ihre Meinung kund täten.
Die Bundeswehr, so ist es anzunehmen, wird sich in den kommenden Wochen grundlegend Gedanken machen, wie sie den jetzt schon entstandenen Rufschaden minimieren kann. Eine grundsätzliche Überprüfung rechtsextremer Umtriebe dürfte die Folge sein.
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