Der wegen Terrorverdachts am Mittwoch festgenommene Bundeswehr-Oberleutnant Franco A. führte offenbar eine Liste mit potentiellen Anschlagszielen. Das bestätigten am Sonntag Behördenkreise gegenüber FAZ.NET. Zur Zahl der Ziele und möglichen Opfergruppen äußerten sie sich jedoch nicht mit Blick auf die federführenden Behörden, die am Sonntag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen waren.
Autor: Lorenz Hemicker, Redakteur in der Politik.
Die Berliner Linkspartei-Abgeordnete Anne Helm hatte am Samstag auf Twitter mitgeteilt, dass sie auf der Liste stehe. Das Landeskriminalamt (LKA) Berlin habe sie darüber informiert. Helm, die laut eigener Auskunft bereits häufiger Morddrohungen aus dem rechtsextremen Spektrum erhalten habe, bezeichnete die Informationen des LKA gegenüber FAZ.NET als „unbefriedigend“. Beispielsweise habe sie nicht erfahren, ob auf der Liste auch weitere Informationen wie ihre persönliche Adresse gestanden hätten.
Neben Helm teilte am Sonntag das „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) auf Twitter mit, auf der Liste des Terrorverdächtigen zu stehen. Das hat die Nichtregierungsorganisation, die für ihre provokanten Kampagnen bekannt ist, durch das LKA Berlin erfahren. Das ZPS setzt sich unter anderem gegen die Diskriminierung von Flüchtlingen ein.
Auf der Todesliste findet sich zudem offenbar noch mindestens ein weiterer Berliner. Die „Bild“-Zeitung hatte bereits am Freitag unter Berufung auf einen politischen Aktivisten gemutmaßt, dass der 36 Jahre alte Aktivist Philipp R. ein Ziel gewesen und vom LKA informiert worden sei. Ob R. zum ZPS gehörte oder einer anderen Organisation zuzuordnen ist, ist offen.
Keine neuen Erkenntnisse über Absichten des Verdächtigen
Über die genauen Ziele und Absichten des Bundeswehr-Oberleutnants gab es am Sonntag keine neuen Erkenntnisse. Der Verdächtige, hieß es zuletzt, schweige. Auch von dem 24 Jahre alten Offenbacher Studenten, der als möglicher Komplize des 28 Jahre alten Oberleutnants gilt, wurde am Sonntag keine Aussage publik.
Franco A. wird von der Staatsanwaltschaft in Frankfurt vorgeworfen, eine schwere staatsgefährdende Straftat geplant zu haben. Er war am Mittwoch im fränkischen Hammelburg festgenommen worden. Dort befindet sich der Sitz der Infanterieschule des Heeres. A. war Anfang Februar in Österreich aufgefallen, weil er eine rund 70 Jahre alte Pistole am Wiener Flughafen versteckt hatte.
Er hatte sich zudem zum Jahreswechsel 2015/2016 als syrischer Flüchtling ausgegeben und hatte von den Behörden Schutzstatus erhalten. Es gelang ihm, sowohl seinen Dienst zu versehen als auch seine Identität als Flüchtling samt Wohnsitz in einer von seinem Stationierungsort im französischen Illkirch hunderte Kilometer entfernte Unterkunft aufrecht zu erhalten.
Rechtsextreme Ausrichtung war bereits vor drei Jahren erkennbar
Am Samstag war zudem publik geworden, dass die rechtsextreme Ausrichtung des Verdächtigen bereits vor drei Jahren offenbar geworden war. Dabei hatte Ministeriumssprecher Jens Flosdorff noch am Freitag mitgeteilt, A. sei während seiner achtjährigen Dienstzeit bei der Bundeswehr nicht auffällig gewesen. Auch die übliche Sicherheitsüberprüfung habe keine besonderen Erkenntnisse gebracht.
Wie „Spiegel Online“ unter Berufung auf einen Soldaten berichtete, hatte A. jedoch an der französischen Militärakademie Saint-Cyr eine Abschlussarbeit verfasst, die laut Aussagen französischer Professoren und eines Bundeswehrwissenschaftler rechtsextremes Gedankengut und völkisches Denken enthalte. Das Verteidigungsministerium bestätigte gegenüber FAZ.NET am Samstag die Nachricht. „Wir haben seit Freitagabend Kenntnis über die Arbeit“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Ein Entwurf der Arbeit sei dem Ministerium am Samstag zugegangen und umgehend an den Militärischen Abschirmdienst (MAD) weitergeleitet worden. Die parlamentarischen Kontrollgremien würden ebenfalls umgehend über die Auswertung informiert.
Weder disziplinarische Maßnahmen noch Vermerk
Disziplinarische Maßnahmen gegen Franco A. wurden seinerzeit nicht ergriffen, der Fall nicht in der Personalakte vermerkt. Der Offizier erhielt die Möglichkeit, eine zweite Arbeit anzufertigen – und bestand. Sein damaliger deutscher Vorgesetzter beließ es bei einer Anhörung.
Politiker reagierten unterschiedlich auf die jüngsten Enthüllungen. Während der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) in der „Welt am Sonntag“ sagte, die Bundeswehr sei „strukturell anfälliger“ gegenüber Rechtsextremismus, riet der grüne Verteidigungsexperte Tobias Lindner dazu, „extrem vorsichtig“ bei Schlüssen aus dem Fall zu sein. Auch der Linkspartei-Verteidigungspolitiker Alexander S. Neu verwahrte sich gegenüber dieser Zeitung davor, die Soldaten angesichts des Falls Franco A. unter Generalverdacht zu stellen.
Die ganze F.A.Z. jetzt auch im Web, mit zusätzlichen Bildern, Videos, Grafiken. Hier geht’s zum Test.
Antworten