Am schwersten wurde die Kanzlei der Deutschen Botschaft in Kabul getroffen. Bilder, die im Internet verbreitet wurden, zeigen die Verheerungen, die die Detonation an dem Verwaltungsgebäude hinterlassen haben. Durch die leeren Fensterhöhlen sind herausgerissene Gebäudeteile zu erkennen. Womöglich hätte alles – aus Sicht der deutschen Diplomaten – noch viel schlimmer kommen können, wenn nicht die Kanzlei vor wenigen Monaten geräumt worden wäre und umfangreiche Umbaumaßnahmen auf dem Botschaftsgelände vorgenommen worden wären, um die Sicherheit der Diplomaten zu erhöhen. Es war eine Vorsichtsmaßnahme nach dem Angriff auf das Deutsche Konsulat im nordafghanischen Mazar-i-Sharif im November vergangenen Jahres. Am Mittwoch hat sie womöglich Leben gerettet.
Autor: Friederike Böge, Redakteurin in der Politik.
Es war gleichwohl einer der schwersten der vielen Terroranschläge, welche die afghanische Hauptstadt zuletzt erschüttert haben. Mehr als 80 Menschen wurden am Mittwoch nach Angaben des Innenministeriums in Kabul getötet und mehr als 350 weitere wurden verletzt, als ein Selbstmordattentäter sein mit Sprengstoff präpariertes Fahrzeug kurz vor halb neun Uhr morgens in unmittelbarer Nähe der Deutschen Botschaft zur Detonation brachte. Unter den Todesopfern ist ein afghanischer Mitarbeiter der Sicherheitsfirma, die für den äußeren Schutz der Deutschen Botschaft zuständig ist. Mehrere Bedienstete der Vertretung wurden zudem verletzt, wie der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel mitteilte. Eine Diplomatin erlitt leichte, mehrere lokale Mitarbeiter schwerere Verletzungen. Besonders verachtenswert sei, sagte Gabriel, dass der Anschlag Zivilisten sowie jene getroffen habe, „die in Afghanistan sind, um mit den Menschen dort an einer besseren Zukunft für das Land zu arbeiten“.
Eine Drohung gegen die internationale Gemeinschaft?
In Sicherheitskreisen in Kabul gab es unterschiedliche Einschätzungen dazu, ob sich der Angriff gezielt gegen die Deutschen gerichtet habe. Eine Quelle sprach von einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass dies der Fall sei. In den vergangenen Tagen waren konkrete Warnungen eingegangen, dass deutsche Einrichtungen und insbesondere die Botschaft zum Ziel eines Angriffs werden könnten. Zudem hatte der Selbstmordattentäter versucht, mit seinem Fahrzeug voller Sprengstoff in die sogenannte Grüne Zone hineinzufahren. Gleich am Eingang des schwer gesicherten Areals befindet sich die Deutsche Botschaft, weiter hinten das Hauptquartier der Nato-Truppen in Afghanistan und auch die Vertretung der Vereinigten Staaten. Nach Angaben einer Sprechers der Nato-Mission „Resolute Support“ in Kabul verhinderten afghanische Sicherheitsleute aber, dass das Fahrzeug in die Zone eindringen konnte. Daraufhin zündete der Fahrer den Sprengsatz, der nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen in einem Wasser- oder Sanitärtank verborgen war.
Ein anderer Sicherheitsfachmann in Kabul glaubt, dass das Kabuler Botschaftsviertel als Ganzes das Ziel des Terrorakts gewesen sei: eine Drohung also gegen die internationale Gemeinschaft, die die afghanische Regierung weiter mit Truppen und Geld unterstützt. In unmittelbarer Nähe des Anschlagsorts an der Zanbaq-Kreuzung befinden sich zahlreiche Botschaften, darunter die Vertretungen Großbritanniens, Frankreichs, Irans, Indonesiens, Pakistans und Spaniens. In einem Umkreis von mindestens einem Kilometer verursachte die Explosion schwere Verwüstungen. So wurden Bilder der Zerstörung auch aus dem Inneren der indischen und der iranischen Botschaft im Internet verbreitet. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes erklärte in Berlin zu der Frage, ob der Angriff sich gegen Deutschland gerichtet habe: „Im Moment haben wir dazu noch kein vollständiges Lagebild.“
Kein „Werk der Mudschahedin“
Die Hauptleidtragenden waren aber, wie so oft, afghanische Zivilisten. Der Eingang zur Grünen Zone liegt auf einer der Hauptverkehrsachsen Kabuls, der Wazir-Akbar-Khan-Straße, wo sich im morgendlichen Berufsverkehr regelmäßig lange Staus bilden. Die meisten Opfer waren auf dem Weg zur Arbeit. Besonders hart traf es Mitarbeiter des Telekom-Unternehmens Roshan, dessen Hauptsitz direkt gegenüber der Deutschen Botschaft liegt. Das dreistöckige Gebäude wurde fast vollständig zerstört. Die Sprengkraft der Bombe war so stark, dass sie einen fünf bis sechs Meter tiefen Krater in den Boden riss. Mehr als 50 Fahrzeuge wurden nach Angaben des Innenministeriums durch die Detonation beschädigt oder zerstört. Augenzeugen sprachen von in sich verknäulten Karosserien.
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