Die große Zustimmung zur „Ehe für alle“ ist damit zu erklären, dass niemandem dadurch etwas „weggenommen“ wird. So versuchte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Göring-Eckardt in einer denkwürdigen Bundestagsdebatte, ihr Unverständnis darüber zu begründen, wie in aller Welt man an diesem Tag mit „Nein“ stimmen könne. Warum aber gilt das Argument nicht auch für die Minderheit, die sich ihr langersehntes Recht erstritten hat? Wäre homosexuellen Paaren etwas „weggenommen“ worden, wenn ihnen die bürgerliche Ehe vorenthalten würde? Auf kurz oder lang hätten sie sämtliche Rechte bekommen, die auch die Ehe hat – nur eben nicht die staatliche Urkunde, dass Homosexuelle denselben Beitrag zur Gesellschaft leisten wie die „privilegierten“ heterosexuellen Ehepaare, nämlich das Kinderkriegen.
Autor: Jasper von Altenbockum, Verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik.
Dieser kleine Unterschied hat Schwulen- und Lesbengruppen im Kampf gegen „Diskriminierung“ stets angetrieben. Andere Motive, die auch am Freitag im Bundestag genannt wurden, also Liebe, Verantwortung, Fürsorge, Familie und so weiter, klingen großartig, sind aber vorgeschoben. Das hat der Fortschritt schließlich alles auch ohne Ehe ermöglicht, selbst das Kinderkriegen. Worum es geht, ist die gesellschaftliche Anerkennung – ausgerechnet durch jene bürgerliche Gesellschaft, deren Institutionen immer als ach so rückschrittlich bekämpft wurden. In dem rot-rot-grünen Jubel im Bundestag flackerte deshalb noch einmal die Freude über die Eroberungen auf, die den Marsch durch die Institutionen stets begleitet hat.
Die Nein-Sager hingegen sehen sich in die Rolle der Besiegten versetzt, der Minderheit, die künftig um Respekt für ihren Standpunkt geradezu flehen muss. Solange das angesichts einer teils hasserfüllten Lobbyarbeit nötig ist und der Holzhammer angeblicher Homophobie selbst über dem Bundesverfassungsgericht schwebt, wird es mit dem gesellschaftlichen Frieden, den sich Angela Merkel von der Abstimmung versprach, nicht weit her sein. Die Kanzlerin reihte sich unter die Nein-Sager ein, womit sie indirekt zwar zugab, dass ihr das Wahlkampfthema aus dem Ruder gelaufen war. Aber sie machte sich zugleich zum Vertreter jener neuen Minderheit, die es akzeptiert, dass die Gesellschaftspolitik, der sie nichts entgegenzusetzen hat, über sie hinweggegangen ist. Darin steckt nicht der Untergang des Abendlands, sondern das Dilemma des Konservativen.
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