SN-Interview: Rolando Villazón beginnt eine neue Laufbahn

(Von Hedwig Kainberger.)

Nach Erfahrungen als Sänger, Regisseur und Romanautor betritt Rolando Villazón neues Terrain. Zum einen gab der deutsche Privatsender Klassik Radio Mitte der Woche bekannt, dass Villazón „Markenbotschafter und neues Gesicht“ von Sender und neuem Streamingdienst werde und ab 3. September jeden Sonntag eine zweistündige Radiosendung moderieren werde.

Zum anderen wird er ab 2019 künstlerischer Leiter der Mozartwoche Salzburg. Ein Gespräch darüber passt in die Beletage an der Schwarzstraße 26: ins Präsidium der Stiftung Mozarteum.

Sie stehen hier unter dem Bild von Kaiser Franz Joseph. Sagt Ihnen der etwas?
Rolando Villazón: Ich hab ihn noch nicht getroffen! (Lacht) Für mich ist Mozart König und Kaiser! Und ich möchte mit der Mozartwoche Gefühle wie zu Weihnachten erzeugen: Alle feiern eine Woche lang, dass der größte Held von Salzburg am 27. Jänner geboren worden ist.

Was planen Sie für Ihre erste Mozartwoche 2019?
Seit 1956 ist sie das renommierteste Mozartfestival der Welt – mit den besten Künstlern, dem Mozarteum Orchester und der Camerata Salzburg als wichtigen Säulen und den Wiener Philharmonikern als wichtigstem Gastorchester. Ich möchte versuchen, das im schönsten Sinne fortzuführen. Die Seele der Mozartwoche ist die Musik Mozarts.

Und ich möchte die Mozart woche auf die Stadt ausweiten. Ich weiß, da ist Winter. Und es ist kalt. Aber die Mozartwoche soll nicht nur in den Konzertsälen passieren, sondern von der gesamten Salzburger Bevölkerung wahrgenommen werden können.

Was heißt: „Die Seele ist Mozarts Musik“?
Es wird nur Mozart geben, keinen anderen Komponisten. In diesem Sinne wird das radikal. Über Musik und über andere Veranstaltungen wie Gespräche, Symposien und vieles mehr soll es möglich werden, sich Mozart zu nähern und ihn zu umarmen – den ganzen Mozart, den spielerischen wie den ernsten, den Mann der Musik und den Mann der Aufklärung.

Mozarts Persönlichkeit wurde nach dem Kinofilm „Amadeus“ sehr populär. Da sieht man dieses Enfant terrible, dieses Lachen, die Explo sionen seiner Schaffenskraft. Doch gibt es auch einen anderen Mozart: einen, der sich zu benehmen wusste, ein bedächtiger, der seinen Eintritt bei den Freimaurern genau überlegt hat. Die fünf Jahre von 2019 bis 2023 geben uns die Möglichkeit, all dies zu entdecken.

Was mögen Sie an Mozart?
Ach, ich weiß nicht, wie viele Biografien ich gelesen habe! Und natürlich all die Briefe! Sie stehen bei mir zu Hause neben den Essays von Montaigne. Wenn ich nur einen Brief lese, ist das, wie wenn ich mit Mozart Konversation hielte. Das passiert einem nicht mit Wagner, Verdi oder Puccini! Hört oder liest man Mozart, ist es, als würde dieser Mensch lebendig. Als ich die Einladung bekam, Direktor des Festivals zu werden, war mein erster Gedanke: Ich möchte mit den Menschen teilen, was ich durch Mozart über Mozart fühle. Er soll in der Mozartwoche so nah wie möglich zu erleben sein. Und dafür gibt es keinen besseren Ort als Salzburg.

Würde Mozart das heutige Salzburg voller Souvenirs und Touristen mögen?
Ich bin sicher, er wäre hocherfreut! Die vielen Mozartkugeln und die kleinen Spielzeugmozarts würde er mögen. Wahrscheinlich würde er sogar ein Mozart-Land, wie ein Disneyland, gerne sehen (lacht). Wenn es heißt, Mozart habe Salzburg nicht gemocht, dann stimmt das so nicht. Es gab Gründe, warum er diese Stadt verlassen hat: Er brauchte als Musiker und Komponist mehr Ressourcen. Aber ich bin sicher, er würde hier gerne leben, atmen und musizieren. Er würde sich im Himmel fühlen, hier die Wiener Philharmoniker zu dirigieren.

Wird es jedes Jahr eine Oper geben?
Ich kann nichts versprechen. Dafür muss ich vor allem mit den Salzburger Festspielen sprechen und mit Markus (Hinterhäuser) die Pläne koordinieren. Ich möchte jedenfalls jedes Jahr ein Bühnenwerk haben, das muss nicht nur Oper sein.

Werden Sie selbst auftreten oder inszenieren?
Dort, wo es passt, ja. Aber als künstlerischer Direktor werde ich mich nicht hauptsächlich selbst präsentieren – wenn, dann in einer besonderen Konstellation. Das Wichtigste für mich als künstlerischer Leiter ist, ein Kraftwerk der Ideen zu schaffen und andere zu inspirieren.

Ihr Nachbar ist das Marionettentheater, das Oper mit Puppen spielt. Könnten Sie sich etwas Gemeinsames vorstellen?
Absolut! Das Marionettentheater ist wichtig, es ist ein schönes Theater. Wie gesagt, die Mozartwoche soll auf die Stadt ausgeweitet werden. Und das Marionettentheater ist sehr mozartianisch. Ich liebe Marionetten! Puppentheater ist ja nicht nur für Kinder, es ist für Erwachsene. Es kann berührend sein!

Können Sie sich erinnern, wann Sie zum ersten Mal Mozarts Musik gehört haben?
Nein. Zu Hause gab es einmal eine Vinyl-LP mit dem Titel „Hook on Classics“. Das war eine Mischung – alles mit Pop-Rhythmus unterlegt, so tum, tumtum, tum, tumtumtum. Da wird etwas von Mozart dabei gewesen sein. Kennengelernt habe ich Mozart, als ich ans Konservatorium ging, um Sänger zu werden. Dem Professor, der mein Lehrer werden sollte, sang ich eine Verdi-Arie vor. Als ich fertig war, schaute er mich an, drehte sich um und zog aus seiner Tasche eine Mozart-Anthologie. „Beginnen Sie damit“, sagte er. Ich erwiderte: „Ja, okay, mach ich“, und ging. Das Erste war „Ich baue ganz auf deine Stärke“ aus „Entführung“. Wow! Da habe ich begriffen, was es heißt, professioneller Sänger werden zu wollen. Das war schwierig! Da gab es keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Man konnte nicht einfach – wie für Verdi – Emotion in die Stimme legen und loslegen.

Auch am Konservatorium machten wir „Il re pastore“. Da der Tenor, der den Alessandro sang, zum Vorsingen nach Wien musste, hieß es: „Du singst das!“ So war auch meine allererste Opernpartie von Mozart.

Sie singen, inszenieren, schreiben, spielen den Clown, moderieren in Radio und Fernsehen. Woher kommt Ihr Talent zum Manager?
Alles, was ich tue, ist mir passiert, es gibt keinen Masterplan. Allerdings: Schreiben wollte ich schon immer. Zunächst wurde ich Sänger und schrieb ein wenig für mich selbst. Als ich das einem befreundeten Schriftsteller zeigte, sagte der, ich solle daran arbeiten. Dann schickte ich es einem Verlag, die nahmen das! Jetzt schreibe ich an meinem dritten Roman – der hat zu tun mit Salzburg und den Festspielen 2005. Es ist ein Zufall, dass das mit meinem Beginn bei der Mozartwoche zusammenfällt.

Und warum mögen Sie Intendant werden?
Daran hatte ich nie gedacht, bis das Angebot kam. An der Mozartwoche war ich aber als Künstler schon ex trem interessiert. Managen ist ein bisschen wie Regieführen: zuhören, reden, überzeugen – bis alle die Idee verstehen und jeder an Bord ist.

Warum geht es in Ihrem nächsten Roman über Salzburg?
Salzburg spielt eine enorm wichtige Rolle in meinem Leben. Der Boom in meiner Karriere kam mit „La Traviata“ hier 2005. Ich hatte davor schon Auftritte überall und CDs. Aber was in dieser „Traviata“ passiert ist, war – pffffuuummm!

Damit begann eine Beziehung mit Salzburg – „Ariodante“ war meine sechste Festspiel-Oper. Das ist nicht so, wie wenn einer sagt: „Ich mag diese Stadt.“ Ich liebe so vieles hier – den Geist Mozarts, den Iglu Mario Merz‘, das Triangel, die Blaue Gans, die Leute hier. Und den Mozartsteg! Ich liebe diese kleine Brücke, stundenlang könnte ich auf der stehen und schauen.

(Bild: Rolando Villazòn im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichten“. Bild: SN/www.neumayr.cc)

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