Jeder fünfte Asylbewerber ist in Deutschland geboren

Ob in Ellwangen, Freital oder Frankfurt – wer sich hin und wieder in Asylheimen aufhält, sieht viele junge Frauen mit Säugling oder Babybauch. Nun kommen zwar die meisten aus kinderfreundlichen Kulturen. Trotzdem verwundert es, weil in den Sammelunterkünften Migranten leben, die noch nicht lange im Land sind und deren Asylverfahren in der Regel noch nicht abgeschlossen sind. Wer nämlich als Flüchtling anerkannt wurde, bekommt meist eine Wohnung zugewiesen und lebt dann nicht mehr in den Asylheimen. Kommen also fast alle Asylbewerberinnen kurz nach der Einreise nieder?

Genau lässt sich das nicht erheben. Doch in der ersten Jahreshälfte 2019 gab es mehr Asylanträge von in Deutschland geborenen Babys als von Frauen im Mutteralter. Laut den Tabellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die WELT AM SONNTAG vorliegen, wurden im ersten Halbjahr 11.972 Asylerstanträge von Frauen zwischen 16 und 40 Jahren gestellt. Im selben Zeitraum wurden 15.586 Asylerstanträge von „nach der Einreise in Deutschland geborenen Kindern unter einem Jahr“ gestellt, teilt das Bundesinnenministerium der WELT AM SONNTAG mit.

Allerdings sind darin auch Kinder von abgelehnten Asylbewerberinnen enthalten, die ausreisepflichtig sind, aber für ihren Säugling einen Asylantrag stellen. Hinzu kommen solche Abgelehnten, die eine spezielle Unterart von humanitärem Aufenthaltstitel (Paragraf 25,5) erhielten. Zudem stellen auch anerkannte Flüchtlinge in unbekannter Zahl Asylanträge für ihre Kinder, obwohl sie das nicht müssen. Dem BAMF war es nicht möglich, diese unbestimmten Größen gesondert anzugeben. Insgesamt war laut BMI jeder fünfte (21 Prozent) Asyl-Erstantragssteller (15.586 von 72.953) im ersten Halbjahr 2019 ein in Deutschland geborenes Kind von unter einem Jahr.

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2018 war es schon ähnlich: Damals waren es 20 Prozent (32.303) der Erstantragssteller. Die Gruppe der bis zu drei Jahre alten Asylerstantragssteller war die mit Abstand größte Alterskohorte (27 Prozent; 43.480). Schaut man auf die Statistiken, so ließe sich durchaus die These wagen: Die Parole „Es kommen nur junge Männer“ müsse durch „Es kommen vor allem Babys“ ersetzt werden.

Unter den vielen Gründen, bald nach der Ankunft in Deutschland ein Kind zu bekommen, könnte einer auch sein, die Bleibechancen zu erhöhen, wie mehrere Innenpolitiker und Behördenmitarbeiter WELT AM SONNTAG sagten. Denn abgelehnte Asylbewerber mit kleinen Kindern werden nur in sehr wenigen Ausnahmefällen in ihre Herkunftsländer abgeschoben.

Selbst die sogenannten Dublin-Überstellungen, also die Abschiebungen von unerlaubt weiterreisenden Asylbewerbern in das für sie zuständige EU-Land, werden nur selten umgesetzt, sobald ein Kleinkind unter drei Jahren zur Familie zählt. So kommt es auch, dass in den unter Rückführungsgegnern kursierenden Anti-Abschiebungs-Ratgebern der Hinweis auf die hohe Bleibechance durch Kinder nie fehlt. Etwa im Pro-Asyl-Heft „Erste Hilfe gegen Dublin-Abschiebungen“ oder im auf Arabisch, Farsi und in anderen Sprachen verbreiteten „Welcome to Europe“-Ratgeber „Wie Dublin-Abschiebungen verhindern“.

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Nach Griechenland, ins wichtigste Durchreiseland für Asylbewerber, werden wegen Unterbringungsmängeln gar keine Mütter mit Kleinkindern zurückgebracht, ebenso nicht nach Malta und Bulgarien und grundsätzlich nicht nach Ungarn. Auch wer in den vergangenen Jahren über das zweite wichtige Ankunftsland, Italien, unerlaubt nach Deutschland weiterreiste, musste keine Überstellung fürchten, falls ein Kleinkind zur Familie gehörte.

Zwischen 2014 und 2017 waren sogar keine Überstellungen von unter 16-Jährigen und ihren Familien möglich, weil das Bundesverfassungsgericht die Versorgung für junge Migranten in Italien als unmenschlich beurteilt hatte. Seit dem Frühjahr ist die Rücküberstellung von unerlaubt weitergereisten Minderjährigen wieder möglich, weil sich die Unterbringung von Asylbewerbern in Italien laut BAMF maßgeblich verbessert hat.

Es gibt zwar keine gesonderten Dublin-Tabellen für Kleinkinder, aber insgesamt für Minderjährige: Im ersten Halbjahr 2019 gab es laut BAMF-Statistiken gerade einmal 778 sogenannte Dublin-Überstellungen von unter 18-Jährigen. Wichtigstes Zielland war Frankreich (138). Die wichtigste Nationalität war überraschenderweise russisch (151). Nach Italien wurden 58 Minderjährige überstellt, nach Griechenland einer.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: WELT AM SONNTAG

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