Zum Tod von Jan Fedder: Hauptberuflich Mensch

1992 betrat ein neuer Beamter das ARD-„Großstadtrevier“, der das lässige „Keine Panik auf der Titanic“-hafte eines Udo Lindenberg mit dem geradlinigen Charme eines Kiez-Kneipiers vereinte: in Lederjacke, Jeans und Hawaiihemd, das bartverstoppelte Gesicht definiert wie eine Landschaft. „Die Kollegen sind froh, dass sie ihn los sind“, sagte der damalige Revierleiter. Die Polizisten im Raum rollten mit den Augen. Die Polizistin lächelte den Neuen an.

Es war die Rolle des norddeutschen Beamten Dirk Matthies, die Jan Fedder, der nun mit 64 Jahren verstorben ist, definierte für das deutsche Publikum – die er aber auch selbst umarmte wie keine andere, ihr seit Folge 37 dauerhaft treu blieb: „Man muss sich ja entscheiden im Leben, auf welcher Seite man steht“, sagte er selbst mal. „Entweder Bulle oder Bruch.“

Sein Matthies galt nur sehr kurz als Querulant auf dem Kommissariat 14, dann schon schnell als Querdenker mit dem Herz am richtigen Fleck (und häufig einer blonden Partnerin im Polizeiwagen). Fedder spielte ihn über 25 Jahre gemütsvoll, spitzbübisch, souverän. Aber, auch das gehört dazu, richtig quer lässt es sich in der heilen Hamburger-Lokalkolorit-Welt der 18.50-Uhr-Schiene der ARD dann eben auch nicht denken: Im „Großstadtrevier“ nannten sich vor allem früher gutgelaunte Polizisten selbst Bullen, Männer mit Glatzen und Bomberjacken sind bis heute zwar oft kriminell, aber fast nie Nazis – und am Ende lässt sich sowieso jedes Problem genauso gut am Kneipen-Tresen wie am hochklappbaren Polizei-Schalter klären.

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Zum Tod von Jan Fedder: Er ist nicht mehr hier, in seinem „Großstadtrevier“

Sohn eines Kneipenwirts und einer Tänzerin

Auf den ersten Blick liest sich Fedders Biografie selbst wie die einer „Großstadtrevier“ Figur: Er wurde 1955 als Sohn eines Kneipenwirts und einer Tänzerin geboren, wuchs in Sankt Pauli auf und sang im Kirchenchor des Hamburger „Michel“. Er absolvierte zwar eine Lehre als Speditionskaufmann, arbeitete aber schnell als Schauspieler. Auf den zweiten Blick ist das natürlich alles widersprüchlicher: viel Schatten, viel Licht.

Zuerst zum Beruflichen: Fedder beherrschte nicht nur die leichte norddeutsche TV-Komödie. 1980 wurde er zunächst als Piligrim in „Das Boot“ bekannt, mit Siegfried Lenz zum Beispiel arbeitete er später mehrfach zusammen; für die Lenz-Verfilmung „Der Mann im Strom“ wurde er 2006 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. In dem Drama spielte Fedder einen arbeitslosen Schiffsbergungsingenieur und Vater. Er zeigte hier, dass er auch das Gebrochene meistern konnte, drehte den Dialekt runter, war kein Mann mehr, der den Raum beherrscht.

Gleichzeitig besaß er aber auch immer die Souveränität, sich mit Rollen in Serien wie „Neues aus Büttenwarder“ selbstverständlich als norddeutscher Volksschauspieler zu verstehen. Wie er selbst sagte: „Ein Volksschauspieler ist der, der dem Volk nahe ist. Der die Liebe des Volks gewinnt.“ In seiner ersten Folge im „Großstadtrevier“ erklärt Dirk Matthies seiner Kollegin, warum er seinen letzten Arbeitsplatz verlassen musste, im Grunde ging es um Racial Profiling, auch wenn das damals noch nicht so hieß: Ein Kollege hatte zwei Schwarzen unterstellt, Drogendealer zu sein, und behandelte sie brutal – Matthies beschwerte sich, und wurde versetzt, weil er Zivilcourage zeigte. Auch wenn der Begriff „Volk“ heute viel schwieriger ist als 1992: Wenn Volksnähe so vorgelebt wird wie damals von Dirk Matthies, ist sie zumindest nicht verkehrt.

„Fedder spielt nur noch Fedder“

Auch Fedders Privatleben war natürlich nie glatt: Zur 30. Geburtstag des „Großstadtreviers“ schrieb die „ZEIT“ 2017: „Fedder hat sich längst von seiner Rolle als Dirk Matthies entkoppelt. Fedder spielt nur noch Fedder. Dafür lieben ihn die Leute.“ Er selbst sagte 2018 in einem Interview mit Reinhold Beckmann auf die ihm sehr eigene alltagsweise Art: „Hauptberuflich bin ich Mensch. Und nebenberuflich bin ich Schauspieler.“

Klar war auf jeden Fall: Fedder verstand es, auch die dunkelsten Ecken seines Lebens als schicksalsergebene, aber immer unterhaltsame Folklore zu erzählen. Bei Beckmann sagte er, als er nach Monaten aus der Reha kam, Krebs und Knochenbrüche hinter sich hatte: „Mit allen Stunts, die ich gemacht habe, war es vielleicht das 14. Mal, dass ich oben geklopft habe, aber er hat gesagt, er will mich noch nicht.“ Man kann stattdessen auch sagen, er lebte ein Leben, das auch immer viel Selbstzerstörung in sich trug. „Getrunken wie ein Specht?“, fragte Beckmann 2018, er spielte auf Fedders Alkoholsucht an. „Nee, wie ’ne Sau“, antwortete der.

In den letzten Staffeln des „Großstadtreviers“ lehnte sich Fedder zunehmend an Wände, häufig sitzt er auch, schon seit einigen Jahren konnte er nicht mehr laufen. Er war mit der Dienstälteste, neben Maria Ketikidou, die die Polizistin Harry spielt. Ansonsten war aber alles wie immer: Viel Schatten, viel Licht, große Haie, kleine Fische, hier im Großstadtrevier. In einer der letzten Folgen geraten in einem Stellvertreterkrieg der Lebensstile eine schwäbische Yoga-Lehrerin und ein Imbiss-Besitzer aneinander, Beamte müssen klären.

Bereits 2008 sagt Fedder im Gespräch mit dem SPIEGEL dazu, wie er sich seine Beerdigung vorstelle: „Ich will das ganz klassisch. Schöner fetter Eichensarg, Deckel zu, fertig. Und dann ein nettes Plätzchen im Promi-Bereich des Ohlsdorfer Friedhofs in Hamburg. So soll das sein.“ Jetzt ist er im Alter von 64 Jahren verstorben.

Wie das „Großstadtrevier“ ohne ihn so sein soll? Man kann es sich schlicht nicht vorzustellen.

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