Ein alter Supertanker soll New York vor dem Virus retten

Vier Schlepper bugsieren die Hoffnung in den Hafen. Meter für Meter, bis die Matrosen die Taue an Pier 90 festmachen können. Hunderte New Yorker jubeln ihnen zu, „die Navy rettet uns“, ruft ein Mann. Ein anderer reckt ein selbst gebasteltes Schild in die Luft, „Thank you, heroes“ steht darauf geschrieben, „danke, ihr Helden.“

Für die Bürger, die gerade erleben, wie ihre Stadt zum globalen Zentrum der Corona-Pandemie wird, ist dieser Moment der erste Lichtblick seit Wochen: Die USNS Comfort, das größte Lazarettschiff der Welt, macht bei ihnen fest.

„Die Comfort ist mehr als ein schwimmendes Krankenhaus“, sagt New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, „sie ist ein Symbol.“ De Blasio spricht auf der Kaimauer, die Sicherheitsmaßnahmen sind streng, wer zuhören will, bekommt von Marines die Temperatur gemessen und wird mit Desinfektionsmittel eingesprüht.

„Das Schiff zeigt, dass die Nation uns nicht im Stich lässt.“ Präsident Donald Trump hatte angeordnet, die Comfort nach New York zu verlegen. Sie soll helfen, die Kliniken der Millionenmetropole vor dem Kollaps zu bewahren. „Bis Mai“, sagt de Blasio, „müssen wir die Zahl der Betten verdreifachen.“

Bisher wurden mehr als 35.000 New Yorker positiv auf Corona getestet. Das Virus, sagen Experten, breitet sich hier fünf Mal so schnell aus wie im Rest Amerikas. In New York ballen sich 25 Prozent der landesweiten Infektionen.

Erste Anzeichen von Panik

Fast 1000 Einwohner sind bisher an Covid-19 gestorben. Und es gibt erste Anzeichen einer Panik. Flüge in andere US-Städte sind den Behörden zufolge derzeit ausgebucht. Die New Yorker, so scheint es, fliehen aus ihrer Heimat.

Die Comfort bringt nun das, was ihr Name verspricht: ein wenig Trost. 1000 Betten befinden sich an Bord, 750 davon sollen ab Dienstag zur Verfügung stehen, 80 sind für Intensivpatienten reserviert. Es gibt nur drei Kliniken in Amerika, die mehr Kranke versorgen können.

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Corona-Epizentrum

Das Schiff besitzt zwölf OP-Säle und einen Vorrat an 5000 Blutkonserven, zudem Labore, Apotheken und Computertomographen. Die Militärärzte der Comfort sollen Menschen behandeln, die kein Covid-19 haben.

Das Ziel ist es, New Yorks Hospitäler für Infizierte freizumachen. An der Westküste der USA, in Los Angeles, soll das Schwesterschiff Mercy diese Aufgabe übernehmen.

Beide Schiffe sind Giganten. Die Comfort ist mehr als 270 Meter lang und so hoch wie ein zehnstöckiges Haus. Sie wurde 1976 in einer Werft in San Diego gebaut – als Supertanker. Unter dem Namen Rose City transportierte sie Öl aus Alaska in andere Landesteile.

Ein Schiff mit zehn Aufzügen

Zehn Jahre später kaufte die US-Marine das Schiff und baute es zum Lazarett um. Die hohen Schotten, die einst die Tanks trennten, wurden aber nicht entfernt, was den Ärzten heute Probleme bereitet: Wollen sie Patienten verlegen, müssen sie oft viele Decks hoch- und dann wieder herunterfahren. Dafür stehen ihnen zehn Aufzüge zur Verfügung.

Die Comfort wird immer dorthin geschickt, wo es Kriege und Katastrophen gibt. Als amerikanische Truppen 2003 im Irak einmarschierten, lag sie im Persischen Golf bereit. 2005 lief sie in New Orleans ein, nachdem dort der Wirbelsturm Katrina gewütet hatte.

2010 versorgte sie Tausende Verletzte nach dem schweren Erdbeben in Haiti. Als Trump das Schiff nach New York beorderte, lag es gerade in einem Dock des Navy-Stützpunktes Norfolk.

Die Marine beendete die Wartung vorzeitig und rüstete das Schiff für den Einsatz aus. Acht Tage vergingen von der Inbetriebnahme bis zur Ankunft am 350 Kilometer entfernten Pier 90 – eine Rekordzeit, sagt Bürgermeister de Blasio.

Ehe die Comfort in Manhattan anlegte, fuhr sie an der Freiheitsstatue vorbei, begleitet von Feuerwehrbooten, die zur Begrüßung Wasserfontänen in die Luft spritzten. Es ist das erste Mal seit fast 20 Jahren, dass das Schiff wieder in New York ist.

Zuletzt sahen die Bürger den mächtigen weißen Rumpf mit den roten Kreuzen nach den Anschlägen vom 11. September. Damals machte die Comfort direkt gegenüber fest, an Pier 92.

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