Mit Titelambitionen sind die Fußballer von Borussia Dortmund in die Spielzeit aber am Sonntagabend waren die trotz des höchsten Saisonsiegs endgültig passé. „Bayern München wird Meister werden“, hatte der Sportdirektor Michael Zorc bereits vor dem Anstoß gesagt, „und wir wollen uns so schnell wie möglich für die Champions League qualifizieren.“ Anschließend wurde ihr sechstletztes Bundesligaspiel dieser Saison angepfiffen, das die Dortmunder mit 6:1 (0:0) bei jenem SC Paderborn gewannen, der dem Abstieg in die zweite Liga geweiht ist. Vor 15.000 leeren Plätzen erzielten Thorgan Hazard, Achraf Hakimi, Marcel Schmelzer und drei Mal Jadon Sancho alle sechs Treffer erst in der zweiten Halbzeit.
Die Dortmunder haben sich sogar auf 40 Minuten beschränkt, um den von Zorc ausgerufenen „Charaktertest“ zu bestehen. „In der ersten Halbzeit haben wir die Paderborner nicht genug unter Druck gesetzt“, bilanzierte hinterher Torwart Roman Bürki, „aber im Großen und Ganzen können wir zufrieden sein.“ Diesen Eindruck machte auch der Trainer Lucien Favre und verriet: „In der Pause habe ich fast nichts gesagt, nur den einen Satz: Dass wir so weitermachen müssen.“ Man habe auf einen Kräfteverlust der Paderborner gesetzt.
Das Hinspiel gegen Paderborn im vergangenen November war noch eines der dunkelsten Kapitel der Dortmunder in dieser Saison, als sie zur Pause 0:3 hinten lagen und von den eigenen Fans verhöhnt und ausgepfiffen wurden, während die Paderborner Szenenapplaus bekamen im 80.000-Zuschauer-Stadion. Am Ende retteten die Borussen mit einem 3:3 zwar ihr Gesicht, aber die Debatte um den Trainer Favre nahm damals Tempo auf. Die Spätfolgen waren noch am vergangenen Dienstag zu spüren, als nach Dortmunds 0:1 in München plötzlich alle das Gefühl hatten, Favre werfe nach dieser Saison hin. Mittlerweile hat er zwar klargestellt, dass dem nicht so sei, aber auf die Leistungen seiner Mannschaft wird die Öffentlichkeit bis Ende Juni trotzdem wieder verstärkt achten.
In Paderborn taten sie sich zunächst schwer, weil die Gastgeber tapfer und tief verteidigten. Erst gegen Ende der Halbzeit ergaben sich bessere Chancen, die die Dortmunder aber vergaben. Im leeren Paderborner Fanblock, auf den sie zuspielten, hing ein einsames Banner, auf dem stand: „Ohne Fans ist Fußball nichts.“ Wie soll man angesichts solch destruktiver Nachrichten bloß seine Kreativität ausleben?
Auch nach dem Seitenwechsel vergaben die Dortmunder zunächst zunehmende Großchancen: erst Hakimi, dann Hazard. Erst als Paderborns Torwart Leopold Zingerle in der 54. Minute eine Hereingabe von Emre Can nicht festhalten konnte, schob Hazard den Ball ins leere Tor. Auf den verletzt fehlenden Mittelstürmer Erling Haaland konnten die Dortmunder diesmal ganz gut verzichten. Nachdem Jadon Sancho in der 58. Minute auf Vorlage von Julian Brandt das 2:0 erzielt hatte, zog er sich sein Trikot über den Kopf und zeigte darunter auf seinem Shirt den handgeschriebenen Spruch: „Justice for George Floyd.“ Damit gedachte er dem in Minneapolis bei einem Polizei-Einsatz getöteten Afroamerikaner und nahm eine gelbe Karte als Strafe fürs Trikotausziehen gern in Kauf. Sancho solidarisierte sich so mit den Tausenden, die am Wochenende in den USA gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße gingen.
Auch McKennie und Thuram solidarisierten sich
Auch Teamkollege Achraf Hakimi, der das zwischenzeitliche 4:1 erzielte, trug ein Shirt mit diesem Schriftzug. Bereits am Samstag hatte der Schalker Weston McKennie in der Partie gegen Werder Bremen mit einer Armbinde seine Unterstützung für Floyd gezeigt. Marcus Thuram bejubelte seinen ersten Treffer für Borussia Mönchengladbach am Sonntag mit einem Kniefall wie der NFL-Quarterback Colin Kaepernick, der mit dieser Geste immer wieder gegen Polizeigewalt gegen Schwarze protestierte.
Sportliche Diskussionen gab es in der 70. Minute, als sich Dortmunds Can im eigenen Strafraum in einen Torschuss von Mohamed Dräger warf und den Ball mit dem Ellbogen abwehrte. Zum Ärger der Borussen gab der Schiedsrichter Daniel Siebert dafür einen vom Videoreferee Matthias Jöllenbeck unwidersprochenen Handelfmeter, den Uwe Hünemeier in der 72. Minute zum 1:2 verwandelte.
Paderborn fehlt am Ende die Kraft
Allzu große Hoffnungen für die Ostwestfalen gediehen daraus allerdings nicht, weil Sancho nur zwei Minuten später schon das 3:1 markierte. Zu einem kleinen Debakel ließen die Paderborner das Resultat spät werden. Hakimi (85.), Schmelzer (88.) und Sancho in der Nachspielzeit trafen noch zum 6:1-Endstand. Die Spekulationen auf den ostwestfälischen Kräfteverlust waren aufgegangen.
Auf eine kleine Provokation im TV-Interview nach dem Spiel, ob er noch minimale Hoffnungen auf den Titel hege, reagierte Favre gereizt. Die Debatte um ihn, ob er eine Mannschaft zum Titel führen kann, scheint ihn weiter zu beschäftigen.
Antworten