Corona-Krise auf Kuba: Schlimmer als die Pandemie

Für Anna ist Kuba seit einiger Zeit ein Albtraum auf Erden. Ihre Wohnung in der Altstadt von Havanna verlässt die alleinstehende Frau nur für die allernötigsten Besorgungen. Von ihrem Balkon sieht sie morgens schon lange Schlangen von Menschen, die vor Geschäften ausharren, um Lebensmittel und Seife einzukaufen. Anna, die in Wahrheit anders heißt, ist Ende fünfzig und zählt mit Bluthochdruck und Diabetes zur Risikogruppe. Vor wenigen Jahren haben Ärzte ihr einen Hirntumor entfernt. Seitdem hat die Kubanerin nicht nur Sehkraft verloren, sondern auch ihre Anstellung beim kubanischen Staat aufgegeben. Arbeiten kann sie nicht mehr. Auf staatliche Unterstützung hofft sie ebenso wenig. Ihr Antrag auf eine Rente werde nicht bearbeitet, sagt sie. Als Havanna vor vier Jahren die Regeln für Kleinunternehmer etwas lockerte, begann sie daher, einen Teil ihrer Wohnung an Touristen zu vermieten. „Eine Freundin sagte mir, dass Personen, die ihre Wohnung an Touristen vermieten, keine Hilfe vom Staat erhalten.“ Seit März hat sie nunmehr keinen Besucher aus dem Ausland empfangen. Jetzt erschöpft sich ihr Erspartes.

Tjerk Brühwiller

Martin Franke

So geht es vielen Kubanern. Die Corona-Krise hat das sozialistische Kuba voll erfasst. Gegen die Pandemie schlägt sich die Karibikinsel zwar bislang gut. Ähnlich wie in China fällt es auch der autoritären Regierung in Havanna leicht, Lockdowns und Maßnahmen wie Zwangseinweisungen in Corona-Isolationszentren durchzusetzen. Weder die Presse noch die Bevölkerung wagen, sich dagegen aufzulehnen. Hinzu kommt ein Gesundheitswesen, das schon vor der Revolution von 1959 zu den besten in Lateinamerika gehörte und den meisten anderen Ländern der Region bis heute weit überlegen ist.

Wenngleich auch in Kuba nicht alle dieselbe medizinische Betreuung erhalten, kommen während der Pandemie einige Stärken des Gesundheitswesens zum Tragen: eine lückenlose Überwachung, das große Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Krankenhäuser und eine so hohe Ärztedichte, dass das Land seine Ärzte gar weltweit zur „Miete“ anbieten kann. Das hat Kuba geholfen, die Zahl der Infektionen klein zu halten. Bisher wurden unter den rund elf Millionen Kubanern offiziell weniger als 7000 Fälle registriert, 128 mit Todesfolge. Und selbst an einem eigenen Impfstoff arbeiten die kubanischen Forscher. Im August haben klinische Tests mit dem Impfstoff „Soberana 01“ begonnen. Bei ersten Tests sollen die Probanden keine Nebenwirkungen gezeigt haben. Auch der russische Impfstoff „Sputnik V“ könnte Berichten zufolge auf der Insel produziert werden.

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