Wer einigermaßen verstehen will, was für politisch interessierte Europäer eigentlich unverständlich ist, warum nämlich arme Amerikaner, die in verwahrlosenden Vorstädten von fettem Fastfood leben, die Raten für ihr Haus kaum zahlen können und sich mit opioidhaltigen Schmerzmitteln darüber trösten, trotzdem bereit sind, einen Mann zum Präsidenten zu wählen, der seine Wohnungen mit Gold tapeziert und in dessen Amtszeit die Reichen reicher geworden sind, die Armen aber nicht: Der sollte, für den Anfang jedenfalls, die politischen Kriterien vergessen, auch wenn das schwerfällt bei Donald Trump, der die Demokratie, die Gewaltenteilung und die freie Presse verachtet und bekämpft.
Besser ist es aber, wenn man sich bewusstmacht, dass Donald Trump in dem Beruf, den er gelernt hat und den er seit den achtziger Jahren praktiziert, einer der Besten ist, wenn nicht der Beste überhaupt. Er beherrscht alle Regeln, kennt die besten Tricks, er tut intuitiv das Richtige, und manchmal meint man, einen Hauch von Genie in seinem Handeln zu erkennen. Nein, es geht nicht um den Beruf des Baulöwen, des Immobilienhais, des Konzernlenkers – oder wie immer Trump selbst das nennen würde. Um den Beruf des Politikers geht es schon gar nicht. Was Trump beruflich ist und womit er, nach unfassbaren Anfangsverlusten, letztlich doch noch viel Geld verdient hat, heißt, auf Englisch, Celebrity und ist mit dem Wort Prominenter nicht angemessen übersetzt. Er wollte berühmt werden, er wurde es, und als er, um die letzte Jahrhundertwende herum, endlich seine eigene Fernsehshow bekam, konnte er seine Berühmtheit endlich angemessen bewirtschaften. Donald Trump ist ein hauptberuflicher Entertainer.
Nach Los Angeles auf die Filmschule?
Er habe mit seinen Immobiliengeschäften niemals Geld verdient, nicht viel jedenfalls, nicht genug; vielmehr habe er das Geld seines Vaters dabei verbrannt, schreibt Mary Trump, die Nichte, in ihrem Buch „Zu viel und nie genug“. Und wer ihr, wegen ihrer Befangenheit, misstraut, kann einen sehr ähnlichen Befund in der „New York Times“ nachlesen, in den Enthüllungsgeschichten aus dem September, in denen es eigentlich um Trumps Steuererklärungen geht. Nur mit „The Apprentice“, der Reality-TV-Show, in welcher der Entertainer Donald Trump den Immobiliensuperstar Donald Trump spielte, habe er sehr viel Geld verdient, Geld allerdings, von dem er einen großen Teil gleich wieder mit ruinösen Immobilienprojekten verlor.
Donald Trump habe einst mit dem Gedanken gespielt, nach Los Angeles auf die Filmschule zu gehen, um dort den Beruf des Filmproduzenten zu lernen, schreibt James Poniewozik, der Fernsehkritiker der „New York Times“, in seinem sehr lesenswerten Buch „Audience of One – Donald Trump, Television, and the Fracturing of America“, welches die Geschichte des Fernsehens in den Vereinigten Staaten in der Geschichte Donald Trumps spiegelt und umgekehrt.
Wie es kam, dass der junge Trump wenig später doch ins Immobiliengeschäft einstieg und erklärte, nichts sei so glamourös wie diese Branche, zumindest dann, wenn man einen goldenen Wolkenkratzer an die Fifth Avenue stellt, dem Turm den eigenen Namen gibt und sich für diese Tat in den Illustrierten als Manhattans schickster, schönster und natürlich erfolgreichster Bauunternehmer feiern lässt – warum also Trump kein Filmproduzent wurde, das steht, indirekt, bei Mary Trump: Fred Trump, der strenge Vater und Inhaber einer großen Immobilienfirma, hätte es nicht geduldet. Und zugleich war es wohl dieser Vater, der, mit seiner generellen Unbeeindrucktheit und unermesslichen Gefühlskälte, den Sohn gewissermaßen dazu nötigte, aus seinem Beruf ein Drama und eine Show zu machen. Hätte Donald einfach nur gearbeitet und Geld verdient, dann hätte Vater Trump keine Augenbraue hochgezogen.
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