Bei der Novelle des Ökostrom-Gesetzes EEG droht jeglicher Anreiz zum Energiesparen auf der Strecke zu bleiben. Die Klimawirkung des „Erneuerbare Energien Gesetzes 2021“ wird in Teilen durch eine widersinnige Vorgabe sogar konterkariert: Wer Strom spart, wird bestraft.
Das zumindest gilt für Industriebetriebe, die von der sogenannten Besonderen Ausgleichsregelung im Gesetz profitieren. Demnach müssen Unternehmen mit besonders hohen Stromkosten lediglich einen Bruchteil der EEG-Umlage zahlen. Das soll sie im internationalen Wettbewerb vor Nachteilen schützen. Doch so sinnvoll die Regel ist, so unsinnig ist sie ausgestaltet.
Denn wenn die Stromkostenintensität eines Unternehmens unter eine bestimmte, harte Schwelle fällt, fallen die Betriebe aus der Entlastungsregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes heraus.
Der Fehlanreiz verdrehe den Sinn des EEG
Die volle EEG-Umlage fällt dann weit schwerer ins Gewicht als mögliche Stromkosteneinsparungen. Daher schrecken viele Unternehmen vor Maßnahmen zurück, durch die der Stromverbrauch stark sinken könnte.
„Der Regierungsentwurf“, kritisiert Christian Noll, Chef der Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF), „ignoriert weiterhin diesen seit Langem bekannten Missstand.“ Der Fehlanreiz, auf Stromeinsparungen zu verzichten, so Noll, verdrehe den Sinn des Ökostrom-Gesetzes EEG praktisch in sein Gegenteil – und wirkt vor allem belastend für Geringverdiener.
„Mit dem Stromverbrauch steigt der Aufwand für den Umbau der Energieerzeugung und Netzausbau“, betont der DENEFF-Chef: „Die Kosten dafür tragen mehrheitlich alle nicht begünstigten Unternehmen und Verbraucher.“
Die Initiative schätzt das jährliche Einsparpotenzial auf die Größenordnung mehrerer Großkraftwerke. Denn würde der Fehlanreiz zu unnötig hohem Stromverbrauch endlich beseitigt, könnte das in den Unternehmen massive Investitionen in effizientere Beleuchtung, Druckluftsysteme, Antriebe, Motoren, Pumpen, Lüftungen, Kühlanlagen Steuerungen und Energiemanagementsysteme auslösen.
Die Effizienz der Energienutzung ist kein Nischenthema. Öko-Verbände werfen der Bundesregierung bereits vor, den Strombedarf des Jahres 2030 künstlich kleinzurechnen, um sich Bau und Finanzierung zusätzlicher Wind- und Solaranlagen sparen zu können.
Die Elektrifizierung des Verkehrs und der Heizenergie mittels Wärmepumpen, so die Kritik, werde den Stromverbrauch in diesem Jahrzehnt deutlich erhöhen. Die Bundesregierung rechnet jedoch bis 2030 mit einem relativ stabil bleibenden Stromverbrauch.
Sie verweist bei dieser Einschätzung auf Studien, etwa von Prognos. Den Mehrbedarf der Elektroautos und Wärmepumpen könne man demnach durch Effizienzgewinne ausgleichen.
Warum wird das Stromsparen von der Regierung so stiefmütterlich behandelt?
Wenn das Erreichen der politisch intensiv diskutierten Ökostrom-Anteile maßgeblich von den Effizienzgewinnen abhängt, ist erklärungsbedürftig, warum das Stromsparen von der Politik so stiefmütterlich behandelt wird.
Der Trend stimmt jedenfalls nicht: Nach aktuellen Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) konnte Deutschland „die Erwartungen in einen kontinuierlichen Anstieg der Energieeffizienz im Jahr 2019 nicht erfüllen“.
Vor allem in der Industrie und im Verkehrsbereich hat sich die Energieeffizienz nach den AGEB-Berechnungen wieder verschlechtert. Die privaten Haushalte sowie der Sektor Gewerbe-Handel-Dienstleistungen verzeichnen zwar Zugewinne bei der Energieeffizienz, bleiben aber ebenfalls deutlich hinter der von der Bundesregierung für den gesamten Endenergieverbrauch geforderten Zielmarke von 2,1 Prozent pro Jahr zurück.
Die Effizienz-Initiative DENEFF macht sich deshalb dafür stark, das Problem endlich mit der aktuellen EEG-Novelle zu korrigieren.
Stromeffizienz dürfe nicht mehr zu einem Verlust der Begünstigung führen. Zur Abhilfe schlägt die DENEFF vor, Stromeinsparungen durch Effizienzmaßnahmen den Unternehmen gutzuschreiben.
Das heißt, sie können in der Besonderen Ausgleichsregelung auch dann bleiben, wenn bei ihnen das Verhältnis von Bruttowertschöpfung und Stromverbrauch unter den gesetzlichen Schwellenwert fällt. Diese Lösung bedürfte einer beihilferechtlichen Klärung mit der Kommission, sagt DENEFF-Chef Noll: „Zeit dafür war in den letzten Jahren aber genug.“
Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) gibt zu, dass das EEG in Sachen Effizienz noch immer die falschen Signale aussendet. Die harte „Abschneidegrenze“, ab der beim Stromsparen alle EEG-Privilegien verloren gehen, sollte nach den Vorstellungen des BDI durch einen „gleitenden Einstieg“ in die Besondere Ausgleichsregelung ersetzt werden.
Das Effizienzthema geriet wieder einmal aus dem Fokus
„Dies würde einen sanften Einstieg sicherstellen, die Verunsicherung der Unternehmen beseitigen und hätte zudem gute Chancen, EU-beihilfekonform zu sein“, erklärt Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik beim BDI: „Der Bundestag sollte in seinen Beratungen zur EEG-Novelle darauf Wert legen, dass etwaige Lösungen beihilferechtlich abgesichert sind.“
Bei der jetzt anstehenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes geriet das Effizienzthema wie in der Vergangenheit oft aus dem Fokus. Derzeit streiten sich die Parteien eher über Grundsatzfragen, Prognosen zum Stromverbrauch und Anschlussregelungen für Wind- und Solarparks, die ab 2020 in großer Zahl ihre EEG-Förderung verlieren.
Angesichts der grundsätzlichen Natur der offenen Fragen ist völlig unklar, ob das „EEG 2021“ noch wie geplant in diesem Jahr in Kraft treten kann. Möglich wäre die 2. und 3. Lesung im Bundestag am 16. Dezember. Doch die fundamentale Frage, ob und wie stark erneuerbare Energien noch weiter subventioniert werden wollen, ist unbeantwortet.
Führende Ökonomen fordern seit Längerem ein Ende der EEG-Umlage, mit der Verbraucher die Extrakosten der Ökostrom-Produktion bezahlen. Auch in der Energiebranche halten viele die systematischen Mängel des Umlagesystems für nicht mehr lange tragbar.
Schon die von der Bundesregierung zugesagte, minimale Senkung der EEG-Umlage kostet den Steuerhaushalt in den kommenden zwei Jahren rund elf Milliarden Euro. Die Union würde deshalb gern ein Ablaufdatum für das EEG in die jetzige Novelle hineinschreiben: Parallel zum Kohleausstieg sollten demnach auch die Beihilfen für die grüne Stromproduktion abgeschmolzen werden.
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