Eine halbe Stunde dauert der Flug von Sintra, im Südwesten Portugals, raus auf den Atlantik. Der Transporthubschrauber fliegt knapp über dem Wasser. Nach achtzig Kilometern kommt das Ziel in Sicht: ein riesiges Schiff, strahlend hell – die HMS Queen Elizabeth, der nagelneue britische Flugzeugträger.
Am Horizont sind weitere Kriegsschiffe zu erkennen, ein Zerstörer und ein Versorgungsschiff. Flugzeugträger sind nie allein unterwegs, sondern stets in der Gruppe. Carrier Strike Group heißt das auf Englisch. Aber jetzt ist noch viel mehr Militär vor der Küste im Einsatz, denn dies ist eine Großübung der NATO.
Insgesamt 18 Schiffe, ein U-Boot, mehr als vierzig Kampfflugzeuge, 5000 Soldaten aus elf Ländern. „Steadfast Defender“ heißt die Übung, die in den nächsten Wochen an Land fortgesetzt wird.
Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass die Allianz wieder übt, was sie im Kalten Krieg aus dem Effeff beherrschte: den Seeweg über den Atlantik zu sichern und zu verteidigen. Wenn ein Partner angegriffen wird und es zu einem ausgedehnten Konflikt kommt, muss das Bündnis Verstärkung aus Amerika holen. Und die muss erst mal heil ankommen – darum geht es hier.
Als der Hubschrauber über dem Flugzeugträger in Position geht und sich langsam absenkt, tauchen Kampfflugzeuge links und rechts der Landebahn auf. Im Tarnkappendesign, unverkennbar: F-35, das modernste Kampfflugzeug der Welt. 18 Stück gibt es davon auf diesem Schiff, so viele wie bisher auf keinem anderen, ein britisches und ein amerikanisches Geschwader.
65.000 Tonnen Stahl im Wasser
Sie wirken plötzlich ziemlich klein auf dem Flugdeck, das ungefähr so groß ist wie drei Fußballplätze hintereinander. Außerdem sind ein Dutzend Merlin-Hubschrauber an Bord. Die sind mit speziellen Radarsystemen ausgerüstet, um Gefahren von See oder Land zu erkennen.
Nach der Landung geht es ins Innere des Schiffs, über steile Treppen, die ein Deck mit dem anderen verbinden. Ein Gewirr von Gängen eröffnet sich, alle ziemlich hoch und breit. Die Korridore tragen Straßennamen. Es geht durch die „Queen’s Street“ und die „Fleet Street“ immer tiefer ins Innere des Trägers. In diesem Reich leben und arbeiten die meisten der 1600 Soldaten Besatzung, ohne Blick nach draußen, aber voll klimatisiert.
Draußen auf Deck wehte ein kräftiger Wind, drinnen könnte man schnell vergessen, dass man auf See ist. Nichts vibriert, nichts schaukelt. Die 65.000 Tonnen Stahl liegen ruhig im Wasser.
Steve Moorhouse steht oben auf der Brücke, er ist der Kommandant des Schiffes und Kommandeur der gesamten Carrier Strike Group. „Vor 24 Stunden sind wir hier angekommen“, sagt er, „und haben uns schon integriert. Meine Schiffe tanken Schiffe von anderen Staaten auf.
Meine Kampfflugzeuge fliegen Missionen mit anderen Flugzeugen.“ Das ist immer eine Herausforderung, wenn NATO-Staaten zusammenkommen und jeder seine Ausrüstung mitbringt. Erst bei Übungen beweist sich, was die Militärs „Interoperabilität“ nennen.
Bündnisverteidigung wird geübt
Die andere Herausforderung gibt das Manöver-Handbuch vor: einen fiktiven Konflikt, in dem die Angreifer Fantasienamen tragen. Es geht um ein Artikel-5-Szenario, wie es im NATO-Jargon heißt. Gemeint ist damit: Bündnisverteidigung. Ein Partner ist angegriffen worden, in diesem Fall Rumänien. In der Region um das Schwarze Meer herum wird gekämpft.
Die NATO hat Verstärkung aus Amerika angefordert. Und Moorhouse muss mit seinen Schiffen und Flugzeugen den Weg dafür frei machen.
„Gestern Abend hat ein U-Boot versucht, in unseren Verband einzudringen. Zur selben Zeit gab es eine Bedrohung aus der Luft“, erzählt der Kommandant. „Wir haben versucht, sie zurückzudrängen und eine Flugverbotszone durchzusetzen.“
Die Kunst besteht darin, die Prioritäten richtig zu setzen. „Wenn man sich zu sehr darauf verlegt, ein U-Boot zu jagen, kann es sein, dass man sich für Raketenbeschuss exponiert.“ Moorhouse vergleicht das mit „ständigem Jonglieren“: immer die Bälle in der Luft halten.
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