Außenminister Maas: Deutschland strebt diplomatische Vertretung in Afghanistan an

Deutschland strebt auch nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan unter bestimmten Bedingungen eine diplomatische Vertretung in der Hauptstadt Kabul an. „Wenn es politisch möglich wäre und wenn die Sicherheitslage es erlaubt, dann sollte auch Deutschland in Kabul wieder eine eigene Botschaft haben“, sagte Außenminister Heiko Maas am Dienstag bei einem Besuch in Qatar. Zurzeit sei man in enger Abstimmung vor allem mit den europäischen Partnern zu diesem Thema.

Maas betonte aber auch, dass eine diplomatische Vertretung keine Anerkennung einer Taliban-Regierung bedeuten würde. „Es geht im Moment nicht um die Frage der völkerrechtlichen Anerkennung“, sagte er. „Es geht um die Lösung ganz praktischer Probleme.“ Allerdings werde die internationale Gemeinschaft auch Anforderungen an die nun Afghanistan beherrschenden Taliban stellen. „Isolation ist keine Antwort. Aber Anerkennung ist keine Priorität für uns“, sagte auch der Außenminister Qatars, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani, nach einem Treffen mit Maas.

Die Bundesregierung hatte nach der Machtübernahme der Taliban die Botschaft in Kabul geschlossen. Alle Diplomaten haben inzwischen das Land verlassen. Der frühere deutsche Botschafter in Afghanistan, Markus Potzel, verhandelt derzeit in der qatarischen Hauptstadt Doha mit den Taliban über die Ausreise Schutzsuchender aus Afghanistan. Dort haben die Taliban ihr politisches Büro, das quasi als Außenministerium fungiert.

„Es gibt ein großes Bedürfnis nach diplomatischer Präsenz, weil wir eben auch viele Themen in Afghanistan haben“, betonte Maas. Er nannte die Bemühungen, frühere Mitarbeiter von Bundeswehr und Bundesregierung außer Landes zu bringen. „Mit diesem Thema werden wir es noch lange zu tun haben. Deshalb brauchen wir die Kontakte.“

Maas betonte aber, dass die Wiederöffnung der Botschaft von der konkreten Politik der Taliban und von der Sicherheitslage abhängen werde. „Es führt überhaupt kein Weg vorbei an Gesprächen mit den Taliban. Wir können uns Instabilität in Afghanistan nicht leisten.“ Aber wenn die Taliban Forderungen etwa nach Hilfen stellten, müssten sie auch auf Bedingungen der internationalen Gemeinschaft eingehen. Für Deutschland gehörten dazu die Anerkennung der Menschenrechte, die Bildung einer inklusiven Regierung, Sicherheitsgarantien sowie die Einhaltung der Zusage, dass auch nach dem Abzug der ausländischen Truppe weiter Menschen Afghanistan verlassen dürfen. Deutschland sei bereit zu Hilfe, die auch notwendig sei, um im Winter eine humanitäre Katastrophe in dem zentralasiatischen Land zu verhindern. „Alles, was darüber hinaus geht, wird davon abhängen, wie die Dinge sich hier entwickeln, wie die Taliban Politik machen“, betonte Maas etwa mit Blick auf die von Deutschland, aber auch anderen Ländern unterbrochene Entwicklungszusammenarbeit.

Maas verwies in Doha auch darauf, dass es auch in der Region und in Europa unterschiedliche Meinungen über den richtigen Umgang mit den Taliban gebe. Der Außenminister beendet in Qatar eine Fünf-Länder-Reise in die Türkei, nach Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Qatar, mit der er unter anderem die weitere Evakuierung von Deutschland, afghanischen Ortskräften und Schutzbedürftigen sowie deren Familien auch über den Landweg erleichtern wollte. Nach den Gesprächen in Doha zeigte sich Maas optimistisch, dass für diese auch über den 31. August hinaus eine Lösung gefunden werde. Dem ZDF heute journal sagte er: „Die Taliban haben sich bereit erklärt, dass Afghanen und Ortskräfte auch nach dem 31. August legal aus Afghanistan ausreisen können.“ Gleichzeitig warnte, dass die westlichen Staaten nicht erpressbar seien. Die Zahl der deutschen Staatsbürger vor Ort bezifferte Maas auf etwa 300.

Derzeit betreiben nur noch wenige Länder wie Russland, China und die Türkei ihre Botschaften in Kabul. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag gesagt, dass es Gespräche mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Italien über eine diplomatische Präsenz in Kabul gebe, um „kontinuierliche Gesprächskontakte mit den Taliban aufbauen zu können“. „Es geht einfach nur darum, überhaupt Diplomaten in der Nähe zu haben, die mit den Taliban reden können.“

Merkel wies darauf hin, dass die Taliban ihre Präsenz in diesen Tagen von Doha nach Kabul verlagern würden. Es wird erwartet, dass sie in Kürze eine Regierung präsentieren werden.

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